Zähne nicht dem Einhorn angehören, verloren sie ihren Wert und ihre
Wunderkräfte.
Mut und Stärke, die man dem Einhorn zuschrieb, gaben Veranlassung,
das Tier als Wappenügur und als Helmzier zu wählen. In dem phantastischen
Turnier, das Ulrich von Liechtenstein als König Artus veranstaltet, trägt der
Ritter Ott von Missouwe das Einhorn als Abzeichen auf Schild und Waffen-
rock. Besonders im Thurgau war es im Mittelalter als Wappentier häufig
und erscheint so auch im Wappen des Dichters Dietmar von Aist (Manes-
sischer Kodex). Die Jagd auf das Einhorn galt als äußerst gefährlich. Der
Minnesänger Rumslant sagt: „Ein Tier hat greulichen Zorn dess alle Jäger
grauet, das ist das Einhorn." Als besonders kostbares Wild, gejagt von
kühnen Jägern und Hunden, wurde es mit Vorliebe auf Tapisserien im XVI.
und XVII. Jahrhundert dargestellt.
In seiner symbolischen Bedeutung trat die ganze Figur des Tieres mehr
hervor. Es galt als Sinnbild der Reinheit und der Jungfräulichkeit und die
alte Fabel, es könne nur eingefangen werden, wenn es zu einer reinen Jung-
frau Hüchte, beschäftigte durch Jahrhunderte Künstler und Kunsthandwerker.
I-Iiefür einige Beispiele: Hefner-Alteneck besaß einen seltenen Kupferstich
der Florentiner Schule, früher im Besitz des Kunsthändlers Weigel in Leipzig.
Die Darstellung zeigt eine Jungfrau, namens Marietta, mit einem Kranz am
I-Iaupte. Bei Hefner ist sie als Braut erklärt, die nun das Einhorn, das Sinn-
bild der Jungfräulichkeit, entfesselt und liebkosend von ihm Abschied nimmt,
während sich ihr ein kleiner Hund, die eheliche Treue bezeichnend, nähert.
Nach Vergleich mit anderen Darstellungen haben wir es hier wohl mit dem
Fang des Tieres zu tun. Die Jungfrau wartet somit nur den Schlaf des Tieres
ab, um es zu fesseln. Der Kranz am Haupte ist der Siegeskranz, den die
Bezwingerin trägt oder wie in anderen Darstellungen dem Jäger überreicht.
Der kleine I-Iund holt sich für das Hetzen des Einhorns den Dank der Herrin.
Von Textilien wird das schönste Stück aus der Folge der Tapisserien
de la licorne im Cluny-Museum wiedergegeben. In einem reichen Blumen-
garten ruht eine vornehme Dame auf dem Rasen und umfängt mit der
Linken das Einhorn, dem sie einen Spiegel vorhält und in welchem sich das
Zierplane einer Jagdtlinte. Zweite Hälfte des XVIII. Jahrhunderts. Im Besitz des Verfassers