Redlich bestellten Radierung: „Bohrung im Tauerntunnel", die sich zu einer reichen
Dunkelwirkung auswächst, wenn auch ohne die große phantastische Vision, wie sie unserer
Zeit zukommt. Andere Radierungen gelten einem Weinlechner-Album, das von Freunden
des verstorbenen Wiener Chirurgen gestiftet ist. Unter den radierten Einzelblättern sei die
„Brünner Dominikanerrampe im Schnee" hervorgehoben, eine Arbeit von mannigfaltiger
Delikatesse, ganz im geistigen und physischen Bereich des Künstlers. Unter den Malern
trat der Landschafter Rudolf Quittner besonders hervor, eine unserer größten jetzigen
Hoffnungen. Seine große Notre Dame, mit der Brücke davor, im vollen Goldglühen der
Nachmittagssonne, hat förmlich die Lunoissche Palette in sich. Eine Säulenrotunde aus
geschliffenen MarmorschäRen, von einer Art kräftiger Aquatintastimmung, ist wieder ganz
anders, aber wiederum erstaunlich geschickt. Überhaupt hat Quittner das gewisse Zeug,
alles zu können, was freilich auch nicht ohne Qual abläuft. Er ringt noch immer um sich
selbst und ahnt noch gar nicht, wie der dereinstige definitive Quittner aussehen wird. Aber
wir haben das größte Vertrauen, daß er keine schlechte Figur machen wird. Im übrigen
sah man die altbeliebten Kleinkünstler des Faches mit leidlichem Temperament an der
Arbeit. Kasparides („Rax und Schneeberg") auch im kleinen stark und diesmal ohne Fieber-
hitze. Dann Tomec, Zoff, Suppantschitsch, Ameseder, Geller, Charlemont, Ruß, Darnaut,
Tina Blau, Zetsche, Brunner, Baschny, Schattenstein, Larwin, Schiff und so weiter, eine
große Porträtzeichnung (Prof. Kundmann) von Adams, Kleinplastik von Rathausky, Hack-
stock (populärst) und dem Burgtheatermitglied Treßler (Damenprofil in Marmor).
IE KRAKAUER „SZTUKA". Im I-Iagenbund hat die „Sztuka", die Krakauer
Sezession, eine gewichtige Ausstellung (354 Nummern) und einen großen Erfolg.
Der Krakauer Ton, wie man ihn wohl nennen darf, hat seine eigene düstere, phantastische
Geistigkeit. Die historische Stimmung eines ererbten Pessimismus und dazu die Pikanterie
eines romantischen Emigrantentums. Chopin ist nicht auszurotten, aber auch Grottger
nicht. Modern wird all dies durch das unbeschränkte Walten der Stimmung und des
persönlichen Eigenwesens, das sich zu einem gewissen barbarischen Einschlag (jetzt so
geschätzt) steigern kann. Die Schule ist natürlich Paris, wozu noch Einflüsse der neu-
belgischen Rätselmystik und der Münchener „Scholle" kommen. Im ganzen ein Eindruck,
der dem vielerfahrenen Kunstgenießer von heute noch immer etwas sagt. Großartig der
Saal Stanislaw Wyspianskis, der am 28. November x9o7, erst 38 Jahre alt, gestorben ist.
Eine umfassende Genialität, von der wir leider nur eine halbe Vorstellung haben können,
da seine in Polen vielbewunderten Dramen uns nicht zugänglich sind. Augenscheinlich
war er ein volles, rundes Genie. Man braucht sich nur seiner ergreifenden Kirchenfenster
zu erinnern, die seinerzeit in der Sezession zu sehen waren, Visionen eines geborenen
Visionärs. Auch hier sieht man im Entwurf so ein Fenster („Das System des Copernicus",
für die Gesellschaft der Ärzte in Krakau). Der große Stil Wyspiariskis hat überhaupt diesen
heroisch-mirakulösen Zug; er spürt das Wunder, das in allem Leben ist. Darum sind selbst
Szenen wie „Mutterliebe", vollends irgend eine in Starrheit verzückte heilige Salome,
bei ihm so ergreifend. In den drastischen Schauspielerporträten aus seiner Sphäre liegt der
Traum eines Sehenden, dem das Gesehene nur als Anhaltspunkt dient für sein stürmisches
Verlangen nach mehr. Sein Wollen und Wünschen ist unbegrenzt. Einmal malt er seinen
Alkoven im Pariser Atelier; die trostlose Öde einer Umwelt, in der man sich erschießen
miißte, wenn man auf diesem eisernen Feldbett keine weitausgreifenden Entschädigungs-
träume hätte. Auch wie dieser Geist dann seine Krakauer Welt auffaßt und sich ihre
Enge ins Ungeheure ausweitet, ist ergreifend. Da ist eine große Ansicht des Wawel, in
hell-graublauer Dämmerung breit hinsilhouettiert, mit kahlen Bäumen einer Anlage, im
Vordergrund eine gelbflimmernde Laterne, das einzige Licht in dieser spukhaften Öde.
Wie eine Welt, die den grauen Star hat, aber so intrigierend interessant in ihrer Trost-
losigkeit. Ein anderes Mal malt er eine abscheuliche Sumpfgegend, in der eine Menge
dunkler Baumstrünke torkelnd herumzuwaten scheinen. „Strohmännew nennt er dieses