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Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 2)

Redlich bestellten Radierung: „Bohrung im Tauerntunnel", die sich zu einer reichen 
Dunkelwirkung auswächst, wenn auch ohne die große phantastische Vision, wie sie unserer 
Zeit zukommt. Andere Radierungen gelten einem Weinlechner-Album, das von Freunden 
des verstorbenen Wiener Chirurgen gestiftet ist. Unter den radierten Einzelblättern sei die 
„Brünner Dominikanerrampe im Schnee" hervorgehoben, eine Arbeit von mannigfaltiger 
Delikatesse, ganz im geistigen und physischen Bereich des Künstlers. Unter den Malern 
trat der Landschafter Rudolf Quittner besonders hervor, eine unserer größten jetzigen 
Hoffnungen. Seine große Notre Dame, mit der Brücke davor, im vollen Goldglühen der 
Nachmittagssonne, hat förmlich die Lunoissche Palette in sich. Eine Säulenrotunde aus 
geschliffenen MarmorschäRen, von einer Art kräftiger Aquatintastimmung, ist wieder ganz 
anders, aber wiederum erstaunlich geschickt. Überhaupt hat Quittner das gewisse Zeug, 
alles zu können, was freilich auch nicht ohne Qual abläuft. Er ringt noch immer um sich 
selbst und ahnt noch gar nicht, wie der dereinstige definitive Quittner aussehen wird. Aber 
wir haben das größte Vertrauen, daß er keine schlechte Figur machen wird. Im übrigen 
sah man die altbeliebten Kleinkünstler des Faches mit leidlichem Temperament an der 
Arbeit. Kasparides („Rax und Schneeberg") auch im kleinen stark und diesmal ohne Fieber- 
hitze. Dann Tomec, Zoff, Suppantschitsch, Ameseder, Geller, Charlemont, Ruß, Darnaut, 
Tina Blau, Zetsche, Brunner, Baschny, Schattenstein, Larwin, Schiff und so weiter, eine 
große Porträtzeichnung (Prof. Kundmann) von Adams, Kleinplastik von Rathausky, Hack- 
stock (populärst) und dem Burgtheatermitglied Treßler (Damenprofil in Marmor). 
IE KRAKAUER „SZTUKA". Im I-Iagenbund hat die „Sztuka", die Krakauer 
Sezession, eine gewichtige Ausstellung (354 Nummern) und einen großen Erfolg. 
Der Krakauer Ton, wie man ihn wohl nennen darf, hat seine eigene düstere, phantastische 
Geistigkeit. Die historische Stimmung eines ererbten Pessimismus und dazu die Pikanterie 
eines romantischen Emigrantentums. Chopin ist nicht auszurotten, aber auch Grottger 
nicht. Modern wird all dies durch das unbeschränkte Walten der Stimmung und des 
persönlichen Eigenwesens, das sich zu einem gewissen barbarischen Einschlag (jetzt so 
geschätzt) steigern kann. Die Schule ist natürlich Paris, wozu noch Einflüsse der neu- 
belgischen Rätselmystik und der Münchener „Scholle" kommen. Im ganzen ein Eindruck, 
der dem vielerfahrenen Kunstgenießer von heute noch immer etwas sagt. Großartig der 
Saal Stanislaw Wyspianskis, der am 28. November x9o7, erst 38 Jahre alt, gestorben ist. 
Eine umfassende Genialität, von der wir leider nur eine halbe Vorstellung haben können, 
da seine in Polen vielbewunderten Dramen uns nicht zugänglich sind. Augenscheinlich 
war er ein volles, rundes Genie. Man braucht sich nur seiner ergreifenden Kirchenfenster 
zu erinnern, die seinerzeit in der Sezession zu sehen waren, Visionen eines geborenen 
Visionärs. Auch hier sieht man im Entwurf so ein Fenster („Das System des Copernicus", 
für die Gesellschaft der Ärzte in Krakau). Der große Stil Wyspiariskis hat überhaupt diesen 
heroisch-mirakulösen Zug; er spürt das Wunder, das in allem Leben ist. Darum sind selbst 
Szenen wie „Mutterliebe", vollends irgend eine in Starrheit verzückte heilige Salome, 
bei ihm so ergreifend. In den drastischen Schauspielerporträten aus seiner Sphäre liegt der 
Traum eines Sehenden, dem das Gesehene nur als Anhaltspunkt dient für sein stürmisches 
Verlangen nach mehr. Sein Wollen und Wünschen ist unbegrenzt. Einmal malt er seinen 
Alkoven im Pariser Atelier; die trostlose Öde einer Umwelt, in der man sich erschießen 
miißte, wenn man auf diesem eisernen Feldbett keine weitausgreifenden Entschädigungs- 
träume hätte. Auch wie dieser Geist dann seine Krakauer Welt auffaßt und sich ihre 
Enge ins Ungeheure ausweitet, ist ergreifend. Da ist eine große Ansicht des Wawel, in 
hell-graublauer Dämmerung breit hinsilhouettiert, mit kahlen Bäumen einer Anlage, im 
Vordergrund eine gelbflimmernde Laterne, das einzige Licht in dieser spukhaften Öde. 
Wie eine Welt, die den grauen Star hat, aber so intrigierend interessant in ihrer Trost- 
losigkeit. Ein anderes Mal malt er eine abscheuliche Sumpfgegend, in der eine Menge 
dunkler Baumstrünke torkelnd herumzuwaten scheinen. „Strohmännew nennt er dieses
	        
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