MAK

Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 6 und 7)

Museen als Volksbildungsstätten in erster Linie verfolgen sollten, nicht 
erreicht. Wo sie aber instruktiv sein sollen für das Gewerbe unserer Tage, 
soweit dies noch manuell betrieben wird, da muß das Einfache erst recht 
in einem Rahmen untergebracht sein mit dem technisch und künstlerisch 
weiter Entwickelten. Das begriff Sauermann, weil er selbst aus dem Hand- 
werkerstand hervorgegangen ist. Er wußte, worauf es in diesem Falle 
ankommt. Das macht seine Schöpfung vorbildlich und wertvoll. 
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN 50' VON 
LUDWIG HEVESI-WIEN S0- 
ER FESTZÜG. Am m. Juni hat, von allen guten Geistern des Wetters begünstigt, 
der l-Iuldigungsfestzug vor dem Kaiser stattgefunden. Selbst ein prächtiger Sonnen- 
ring stand in der heißen Mittagsstunde über dem Kaiserpavillon; ein meteorisches 
Zeichen und Wunder, das Plutarch in einem eigenen Kapitel beschrieben hätte. Das uin- 
fassende Unternehmen war unter dem Ehrenpräsidium des Grafen Hans Wilczek 
senior zu wohltätigem Zweck veranstaltet. Es beanspruchte über zwei Millionen, lockte 
über 50.000 Fremde nach Wien und war als Schaustück ein glänzender Erfolg, freilich auch 
für die Raisonneure - darin ist Wien das reine Athen - ein unerschöpflicher Stoß. 
Natürlich hätte der Zug auch anders ausfallen können, aber schon als optische Vision, als 
Fest der inneren und äußeren Stimmung bleibt er gewiß jedem denkwürdig. Die Tribünen 
des Festplatzes allein, mit ihrem in Sonne knisternden Farbengewimmel, waren ein im- 
pressionistisches Erlebnis, das man gern in Sicherheit bringt. Unvermeidlich drängt sich 
die Parallele mit dem Makartschen Festzug auf. Dieser stand und steht auf einer ganz 
andern Stufe. Er war durchaus Kunstleistung, aus der glänzendsten koloristischen Seele 
jener Zeit geboren, die abschließende Großtat eines dekorativen Zeitalters, das sich in einer 
für Mitteleuropa vorbildlichen Weise ausgelebt hatte. Ein ähnlicher Festzug ist nie gewesen 
und wird nie wieder sein. Nur Leute, die ihn nicht gesehen, können geringschätzig von 
ihm sprechen. Der diesmalige Festzug hatte durchaus reale Absichten. In seinem ersten 
Teil sah man achtzehn Momente der Habsburgischen Geschichte in historisch genau aus- 
gestatteten Gruppen vorbeiziehen; in der zweiten eine Armee von 10.000 Personen, die 
Volksstämme Österreichs, dargestellt von auserlesenen Menschen in echten, zum Teil 
überaus malerischen Nationalkostümen. Nicht bloß vom Standpunkt der Volkskunst und 
Volkskunde war dies ein hochinteressantes Schauspiel, sondern auch künstlerisch ein 
Genuß, wie er bisher nie geboten worden. Das Jubelfest der Kaiserin-Königin Viktoria, 
die Krönung des Orientbeherrschers in Moskau fallen doch in eine ganz andere Kate- 
gorie. Die Ethnographie war dort Beiwerk, hier war sie lebendiger Selbstzweck, und 
zwar nicht mit wissenschaftlicher, folkloristischer, kunstgewerblicher Absicht, sondern 
mit dem Vorhaben, durch Schönheit zu erfreuen und dieser Schönheitsfreude eine 
patriotisch-politische Bedeutung zu geben. Nach alldem lag der Schwerpunkt des Fest- 
zuges in diesem zweiten Teil, der auch denkwürdig bleiben wird. Was nicht ausschließt, 
daß auch manche Szenen des historischenTeiles, namentlich die uns zeitlich näherliegenden, 
dem Publikum sehr anregend erschienen. Die meiste Kritik knüpfte sich an die bauliche 
Gestaltung des Festplatzes. Das Zuvielbauen hat ihm geschadet und wenn Josef Urban ihn 
heute zu gestalten hätte, würde er manche Fehler vermeiden, keinesfalls aber durch ein- 
springende mächtige Pylonen jede perspektivische Wirkung eines zwölf Kilometer langen 
Zuges verhindern, von dem auf dem Festplatz stets nur eine Gruppe sichtbar wurde. 
Auf die baulichen Einzelheiten sei hier nicht weiter eingegangen; auch sie haben viel 
Kritik erregt, insbesondere die als Pavillonkuppel verwendete Kaiserkrone. Alles in allem 
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