Monatsschrift veröffentlicht, ebendort (Seite 553 ff.) die aus dem jahre 1412
stammende Handwerksordnung nebst ihren Zusätzen sowie ein Überblick
der künstlerischen Entfaltung dieses Gewerbes.
Unter den Wiener Trinkgefäßen des Mittelalters vertritt ein hoher
Becher aus schwarzem graphithaltigen Ton den am meisten verbreiteten
Typus. Das älteste Exemplar ist ein Kreuzensteiner Fundstück (Abb. 38).
Bei diesem Becher wurde der hohe Fuß im Gegensatze zu der etwas später
auftretenden Fonn voll hergestellt und reicht das Fassungsvermögen des
Gefäßes nur bis zu dessen starker Einschnürung in seiner halben Höhe.
Eine weitere Eigentümlichkeit liegt bei diesem Stück noch in der kreisrunden
Mündung. Der Fuß dient nicht als Standfuß, sondern war lediglich für die
Hand des Trinkers bestimmt; in leerem Zustand wurde das Gefäß -gestürzt.
Das Exemplar in Kreuzenstein ist somit ein Sturzbecher. Seine allgemeine
Form behält der nach meiner Ansicht spätere Typus bei; führt jedoch den
Hohlraum bis zur Aufstehüäche hinab und gestaltet die Mündung zum
Vierpaß, wodurch der Becher an vier Stellen das Ansetzen an den Mund
erleichtert (Abb. 39). Aus dem Sturzbecher mit geringem Fassungsvermögen
wurde also ein Standbecher für größeren Inhalt. An Stelle des graphithalti-
gen Materials tritt, vermutlich im XV. Jahrhundert, ein brauner Ton mit
Graphitüberzug (Abb. 40). Kleinere Gefäße, für Branntwein oder für die
aus Mohn, aus einer Abkochung von Hanfkörnern oder in anderer Weise
bereiteten Schlaf-, Freuden- und Liebestrünke, erhielten anstatt der vierpaß-
förmigen Mündung eine solche im Dreipaß (Abb. 41 und 42). (Vergleiche:
„Quellen zur Geschichte der Stadt
Wien, II., 3, 5310", wo im Jahre 148g
von einem „gemündlater Becher" die
Rede ist.)
Die vorbeschriebenen Becher Hn-
den sich gelegentlich größerer Erdaus-
hebungen in Wien bisweilen mit klas-
sischen Gefäßen untermischt - eine
Erscheinung, welche lediglich auf sei-
nerzeitigeErdbewegungen bei Straßen-
anlagen und Neubauten zurückzufüh-
ren ist. Auch die Tiefe der Fundstellen
erklärt sich zur Genüge aus dem
Wachstum des Stadtbodens. Ein Ver-
gleich mit den in Figur I, 8 und 10
abgebildetenmährischenTrinkbechern
läßt auch die Wiener Gefäße als zwei-
fellos mittelalterlich gelten. Das Mu-
seum Vindobonense, dessen Direktor,
Herrn Novalski de Lilia, ich eine
Abb. 43. Großer Vorratskrug aus Eisenton. XVIJahr- _ u _ _
hundert (Museum Carolinc-Augusteum in Salzburg) eingehende Beschaftlgung Ullt den