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Volltext: Monatszeitschrift XV (1912 / Heft 5)

An Greco hat sich Max Oppenheimer versehen. Er komponiert sein Operationsbild 
so, daß die Köpfe, alles spitzige Langschädel wie bei dem Toledaner, und die Figuren der 
Ärzte und Studenten einen Kreistrichter bilden; in seiner Tiefe schwimmt der sezierte 
Leichnam mit seinem blutigen Innengekröse. Diese Art, mit Körpern eine Raumwirkung 
zu erzielen, ist ganz nach Greco, der in seiner Auferstehung und Himmelfahrt, den schmalen 
Langbildern, die hoch übereinander aufgebauten Gestalten zu einer gotischen Spitzbogen- 
nische anordnet. Und auch der fahle, kalkig graue Ton, in dem das Blutgerinnsel-Rot 
aufzuckt, erinnert an Greco. 
Noch manches Fällt auf: Toorops Hafen mit den visionären Kindermädchen in blauen 
Röcken, weißen Flügelhauben gegen gelbblauen Hintergrund, aus dem sich die Staket- 
gitterung der Brücke heraushebt; Roman Kramstyks Porträte polnischer Typen in einer 
Kreuzung von Chopin und Przybischewsky; Rysselberghes Damenbildnis voll Geschmacks- 
raffinement in grünlila krisseligem Chiffon gegen die japanischen Ornamente einer Tapete; 
Pascins Miniaturpikanterie der halbflüggen Mädchen mit der so selbstverständlichen ruhigen 
Verdorbenheit im Kindergesicht; Röseners Waldbad mit seinen delikaten, iiaumigen, über- 
Borten Moireetönen. 
Ähnlich sind sich zwei Marinen von Max Giesecke und Rud. Kyhn mit dem stürzenden 
Staccato der Wellen und dem Flugschlagrhythmus der Möven, den tauchenden, grau- 
gefiederten Enten und der frostklaren blaugrünen Elementenstimmung. 
Von den Unbekannteren sei noch Josef Batö erwähnt, der mit seiner Flächentechnik 
der Steinmetze gegen den lastenden Block, mit seinen weißblusigen Schnittermädchen in 
rot und schwarzen Röcken gegen gelbes Korn temperamentvoll sich ausspricht. 
Der alte Stamm der Sezession erscheint den „Neutönern" gegenüber solid und 
gediegen und vor allem von sicherer Qualität. Ein Jüngerer von ihm, Max Beckmann, hat 
sich aufs glücklichste entwickelt. Seine große Amazonenschlacht ist voll Herrschaß im 
Aufbau, in der Bezuringung des Gewimmels der Massen, im Rhythmus des Chaos, in 
dieser grautönigen Harmonie aus kämpfenden, andrängenden, fliehenden Leibern, den 
wüsten Schlächtergriifen des Massakers auf himrnelweitem Blachfeld. Von Corinth sieht 
man Vielseitiges. Von dieser wuchtigen, das Fleisch knetenden Hand ausnehmende, 
zarte „Tändelei" einer Mutter mit dem Kind im Bette, von einer Süße, die nicht süß- 
lich ist, dann der Hymnus auf Michelangelo, eine rauschende Blumenfantasie von Mohn, 
Azaleen, üppigen Rosen um die Plastik des sterbenden Sklaven; dazu die humor- 
haft saftige Charakteristik des „mecklenburgischen Viehhirten", einer Stromertype, 
freilich etwas illustrativ. Von Liebermann sieht man ein markantes, scharfgeschnittenes 
Herrenbildnis und eine Impression vom Korso auf dem Monte Pincio, von römischer 
Abendluft erfüllt. 
Leibls Kunst vertritt ein Frauenporträt, ein schmaler, lang gestreckter Oberkörper im 
grauschwarz gestreiften Kleid mit großer Schleife, die Hände vorn übereinandergelegt. 
Eine deutsche Eckigkeit ist darin, die sehr echt wirkt. Lebendige Bildnisse bringen weiter 
Graf Kalckreuth (ein innig liebes Frauengesicht); Konrad von Kardorff (seine Frau mit 
dem Kind im Arm und den Professor Rosenheim mit spitzigen kalt klugen Zügen), Fritz 
Rhein (die Gräfin S., ein exotischer Typ voll farbiger Phantasie und Frau Hilde in Weiß mit 
dem wippenden Bergerehut über dem kapriziösen Gesicht auf der Gartenbank und den 
kleinen Peter, nackt, gar anmutig im Gras, zu den Füßen seiner hübschen Mama). 
Van Goghs Gedächtnis feiert ein rneisterliches Bild „Landschaft mit Wassermühle", 
braundunkel mit ihrer Holzverschalung, ernst gegen rotgelben Himmel im Abend stehend 
und die fabelhafte Arlesienne mit der pikanten gelblichen Häßlichkeit ihres Äftinnen- 
gesichtes am Tisch mit Büchern von hinreißendem Farbenschmelz. 
Der sehr begabte Meid interessiert durch eine Lukretia in Todesextase, umwoben 
von der schwülen Harmonie tiefleuchtender Kissen und Stoffe. Und Pottner, der feine 
Keramiker des Geilügels, malt streitende Elstern und Toulouser Gänse in ihrem plustrigen 
Gefieder und der spreizigen Drblerie der Bewegung.
	        
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