kehrslinien des Gürtels und der Radialstraßen eine Eigentümlichkeit der neuen Aufgabe,
die nicht unbedeutende Schwierigkeiten in sich barg.
Die Lösung der Situierungsfrage ist darum auch ein sehr wesentlicher Teil des
Bauprogramms geworden. Anläßlich des Konkurses, der von der Gemeinde Wien zur
Erlangung von Entwürfen veranstaltet wurde, ist eine stattliche Anzahl von Vorschlägen
eingelangt. Die Projekte sind im großen Festsaal des neuen Rathauses aufgestellt, den
sie gänzlich füllen.
Man erkennt sofort, daß die Freiheit, welche den Projekten in der Art der Bebauung
des großen Terrains gegeben war, für die Mannigfaltigkeit der Lösungen günstig war.
Die Stellung, welche der Projektant zu dieser Frage einnahm, hat den Stützpunkt der
betreffenden Entwurfsidee bestimmt. Man muß sich darüber freuen, daß der Durchschnitt
der eingelangten Arbeiten das Niveau der letzten Wiener Konkurrenzen übersteigt, daß
ein fortgeschrittener Zug vorherrscht, daß die Stilkopie früherer Tage in sehr auffälliger
Minorität auftritt 7 wie eine Anschauung, die im Aussterben begriffenfist.
Es kann hier auch nicht auf eine Wertung der einzelnen Arbeiten eingegangen
werden, weil eine eingehendere Besprechung ein größeres Abbildungsrnaterial fordern
würde. Nachdem aber die beiden mit den höchsten Preisen ausgezeichneten Arbeiten
zugleich auch die zwei Richtungen kennzeichnen, welche die gesamten Entwürfe sozu-
sagen in zwei Lager teilen, so sei hier über das Wesentliche dieser Richtungen und ihrer
Vertreter einiges bemerkt.
Als Vorkämpfer einer strengen und klaren geometrischen Planung, für welche
symmetrische Anordnung, axiale Durchbildung, kubischer Aufbau, modernste Konstruk-
tionsweise Grundbedingungen bilden, tritt Otto Wagner wie immer in erste Reihe. Er
hat mit seinem Opus IV die unerlahmte Begeisterung dokumentiert, die ihn für diese
Museurnsaufgabe und für seine Mission erfüllt. Man muß auch über die künstlerische Reife
des Entwurfes, über seine edle Einfachheit und monumentale Ruhe die höchste Freude
empfinden. Mit energischem Griff schafft Wagner einen regelmäßigen Museumsplatz, in
dem Abgeschlossenheit, Ruhe und Größe herrschen unbekümmert darum, daß die breiteste
Verbindungsader mit dern Gürtel seitlich liegen bleibt, sie ist als starke Verkehrsader
ohnehin nicht zur Unterbrechung geeignet.
Mit knappest bemessener verbauter Fläche, hochaufragend ohne l-lofbildungen und
tote Hohlräume, bildet die Baumasse ein Dokument der strengsten architektonischen
Disziplin, der jede Maskerade, jede innere Unwahrheit fremd ist.
Wagner überragt noch immer alle Konkurrenten an persönlicher Gestaltungskraft,
obwohl zahlreiche Arbeiten in demselben Sinne vorgehen, denselben Zielen zustreben wie
seine kraftvolle Leistung.
Ihr fehlt jede Sentimentalität, jede Konzession an Zufälligkeiten des Lageplans, jede
Abschwenkung zur lokalhistorischen Färbung, welche aus einzelnen Teilen des Museums-
bestandes abgeleitet werden konnte. Sein Wienertum wurzelt in der Kraft einer starken
Persönlichkeit, die einer ganzen Generation von Wiener Baukünstlern als Führer diente,
die vielen neuen Bauwerken seinen Stempel aufdrückte und seine Richtung gab.
Ganz anders verhält sich eine Gruppe von Entwürfen, unter denen jener von Tran-
quillini und l-Iofmann als einer der charakteristischesten hervortritt. Sie opfern die
Geschlossenheit der Baumasse einer differenzierten Behandlung der einzelnen Museums-
bestände und Aufgaben. Sie lösen den reich und kompliziert gegliederten Grundriß in viele
Trakte und l-löfe auf und müssen nun dem breit gelagerten Gruppenbau einen hohen Turm
oder eine Kuppel als Stützpunkt für das Auge künstlich hinzufügen, ohne daß ein solcher
Aufbau aus der Aufgabe selbst hervorginge.
Sicher werden die Museumsverwalter in solchen Anlagen eine leichtere Arbeit finden,
sicher aber auch der Besucher eine schwierige Orientierung. __
Sicher wirken Einbauten von Nachahmungen Alt-Wiener Höfe, Übertragungen alter
Linienkapellen und plastischer Denkmäler auf Freunde der Konservierung Alt-Wiener