der Veröffentlichungen aus dem Nachlasse Burckhardts zu tun haben, die uns schon so
viele freudige Überraschungen bereiteten und hoffentlich noch lange nicht zu Ende sind.
Übrigens ist auch Geymüller eine interessante Persönlichkeit, mit der uns die Einleitung
des Herausgebers, Professor Dr. Karl Neumann in Heidelberg, sowie zwei im Anhange
gegebene Aufsätze von Geymüllcr selbst -- einen „Versuch zu einer Gliederung der stili-
stischen Gliederung der neueren italienischen Architektur" und eine Selbstbiographie -
näher bekannt machen. Lesern, die sich mit der Geschichte der neueren Architektur
beschäftigt haben, ist er übrigens kein Fremder; er ist ja der Verfasser des grundlegenden
Werkes über Bramantes ursprüngliche Entwürfe zur Peterskirche in Rom (x875-i88o),
von denen er einige im"Februar 1866 in Florenz aufgefunden hat; er war überdies hervor-
ragend an der Restauration des Schlosses Chillon (1889) und der Kathedrale von Lausanne
tätig, war 1901 Vorsitzender des Preisgerichtes bei der Konkurrenz für eine neue Fassade
der Kirche S. Lorenzo in Florenz und fungierte von xgoz an längere Zeit als provisorischer
Vorsitzender des Hochkönigsburgvereins, nachdem mehrere Aufsätze von ihm in der
„Gazette de Lausanne" im Juli x90: die Aufmerksamkeit des deutschen Kaisers erregt -
hatten. Er entstammt dem alten Basler Geschlecht der Falkner, wurde 1839 in Wien im
Hause seines mütterlichen Oheims Geyrnüller, dessen Name schon sein Vater ange-
nommen hatte, geboren und starb am u. Dezember 1909. Die vorliegenden Briefe handeln
fast ausschließlich von Architektur, und an allgemeinem Interesse werden sie deshalb von
denen an Allioth übertroffen. So beschränkt-fachlich kann freilich Burckhardt nicht
schreiben, daß nicht doch irgendwo der Mensch herausblickte, namentlich in den
späteren Briefen - sie beginnen mit 1867 und enden vier Monate vor seinem Tode, April
1897 - die uns ähnlich wie die an Allioth in seine melancholischen Altersstimmungen
einführen. Besonders bemerkenswert ist eine Stelle in dem Briefe vom 8. Mai 189i: „Das
Hinscheiden hat für mich zwar nicht die Hoffnungen, womit Sie, lieber Herr und Freund,
erfüllt sind, aber ich sehe demselben doch ohne Furcht und Grauen entgegen und hoffe auf
das Unverdiente." Eine ähnliche Äußerung Burckhardts hat der Geistliche bei dessen Be-
erdigung in seiner Trauerrede zitiert: „Ich bin nicht ohne l-Ioffnunglch glaube an eineUnver-
gänglichkeit, obgleich ich wohl spüre: Ansprüche gibt es hier nicht . ." Aber in solche Regio-
nen führt uns dieser Briefwechsel nur selten. Er beginnt mit einer Warnung des 49jährigen
Burckhardt an den zßjährigen Architekten, der damals schon verlorenen Spuren Bramantes
nachging, der Praxis nicht um der Wissenschaft willen Lebewohl zu sagen: die Gering-
schätzung der eigenen Tätigkeit, die darin lag, ist echt Burckhardtisch. Als er dann freilich
die ersten Resultate der Forschungen Geymüllers kennen lernte, ist er voll Anerkennung
und ermuntert ihn nun mit Enthusiasmus, auf dem einmal betretenen Wege fortzu-
schreiten, ja er nimmt von da an an jeder Entdeckung und jeder Hypothese des jungen
Freundes leidenschaftlichen Anteil. So manche seiner Ansichten gingen denn auch in
Geymüllers großes Werk über die Peterskirche über, für das Burckhardt so voll Aner-
kennung ist, daß er meint, sein eigener Name würde durch dessen Nennung darin auf
Jahrhunderte gerettet, da er doch durch seine eigenen, „bereits an allen Enden über-
botenen Opera" nicht mehr lange werde über dem Wasser der Vergessenheit gehalten
werden: „es gibt nichts Hinfälligeres als das Leben historischer und kunsthistorischer
Bücher, und es ist nichts als eine sehr starke und traurige Wahrscheinlichkeit, daß in
50 Jahren selbst zum Beispiel Ranke nicht mehr wird gelesen werden". Der Briefwechsel
gibt auch Zeugnis dafür, daß Burckhardt doch nicht so ganz unbeteiligt an den späteren
Auflagen des „Cicerone" war. Wenigstens an der fünften, für die Geymüller die Bearbei-
tung des Abschnittes „Architektur" übernommen hatte, arbeitete er redlich mit und las
sogar Korrekturbogen. Bezeichnend wiederum für seine Sinnesart aber ist, daß er Gey-
müller bat, bei seiner Redaktion nur ja „alle Pietät zum Teufel zu jagen", das heißt seinen
eigenen Text in keiner Weise zu schonen. Das hat nun freilich Geymüller zum Glück
nicht getan, ja in einer Zuschrift an die „Kunstchronik" es gerügt, daß die fünfte Auflage des
,.Cicerone" die Beteiligung Burckhardts durch originale Beiträge, besonders zur Barocke-