jahrhundertausstellung
in Darmstadt. Nußbecher von
Daniel Hammerer, Straßburg, r674
bis iögo (Großherzog von Hessen-
Darmstadt). Phot. Schröder, Berlin
ihre neuartige Auffassung der Radierung als Flächenkunst
und Wandschmuck, diese durch die Neuheit ihrer stofflichen
Vorwürfe. Was Brangwyn schafft, hat bekanntlich zu der
alten intimen Kaltnadelkunst keine Beziehung mehr; die
Abzüge von seinen großen Platten überschreiten alle Grenzen
der Sammelmappe und sind nicht mehr für die liebevolle,
lange Betrachtung aus der Nähe bestimmt. Ihre Lebensluft
ist das Gewühl und der Lärm der großen internationalen
Kunstausstellung, wo ihre rauschenden Wirkungen sich
auch dem abgestumpften und ermüdeten Sinn noch bemerk-
lich machen, wo ihre laute Stimme den Vorübereilenden
anruft und zum Stillstehen zwingt. Mächtige Gegensätze von
Licht und Schatten, tumultuarische Kompositionslinien, eine
fast dramatische Wucht der Auffassung auch zum Beispiel
architektonischer Sujets sind die charakteristischen Elemente
vonBrangwyns Kunst; tiefwühlende Ätzung und Bereicherun-
gen der tonigen Flächenskala durch allerlei neue Drucker-
Enessen sind die Mittel, die er in den Dienst seiner Kunst
stellt. Das Großzügige sowohl als auch das unleugbar Rohe
und Oberflächliche in seiner Art sind beide gleichmäßig für
unsere Zeit charakteristisch. Es ist dem Künstler vollkommen
egal, ob er etwa eine Kreuzigung Christi oder die donnernde
Einfahrt eines Eisenbahnzuges unter den Glas- und Eisen-
wölbungen der Bahnhof halle schildert; sein innerlicher Anteil
beschränkt sich in beiden Fällen auf den verblüffenden for-
malen Augenblickseffekt. Die Rapidität der Darstellungskunst
des unglaublich fruchtbaren Amerikaners ]osef Pennell hat
einen andern inneren Grund; eine wahrhaft amerikanische
Unrast hetzt ihn durch die Alte und Neue Welt, l'a'ßt ihn bald
vor dorischen Tempeltrümmern griechischer Inseln, bald
wieder vor dem Riesenwerk moderner Arbeit, das der Bau
des Panamakanals enthüllt, nur eine kurze Weile rasten; die
historische Schönheit Frankreichs und Italiens, Spaniens und
Englands hat es ihm ebenso angetan wie die neuartige,
eigentlich erst von ihm entdeckte Schönheit der zu drohen-
den Turmstädten zusarnmengeballten Wolkenkratzer seiner
amerikanischen l-leimatstädte. Pennell preist in dithyram-
bischen Worten das Geheimnis der rauchumhüllten Arbeit
unserer Tage und sieht mit Bedauern die Zeit herankommen,
wo die Elektrizität die dampfenden Schlote verdrängt
haben wird. Der Trick seiner Technik (auch als Litho-
graph) besteht darin, den Dingen ihre wesentliche Schön-
heit gleichsam im Flug zu entreißen. Er ist nicht um-
sonst Schüler und Freund Whistlers gewesen, nur daß
seine Art breiter und derber zufahrend ist. Nicht minder
erstaunlich als seine Produktivität ist seine Vielseitigkeit;
es gibt nichts, das nicht fähig wäre, ihn zur malerischen
Darstellung zu reizen, und er möchte am liebsten die Schönheit der ganzen Welt in ihrer
unendlichen Vielartigkeit ans Herz drücken. So erinnert er in seiner Gesinnung an einen
dritten großen Amerikaner, den Dichter Walt Whitman und dessen brüderliche, den
Kosmos im Größten wie im Kleinsten umfassende Liebe zu allen Dingen dieser Welt.
Dr. H. Ubell