Artur Grottger (1837-x867) ist durch seinen Zyklus Polonia (1863) vertreten, der
Episoden aus dem polnischen Aufstand gegen Rußland aneinanderreiht, sowie durch
Porträte und kleinere Arbeiten. Er fußt auf der erzählenden Kunsttradition.
Wenn auch die formale Art der Darsteliungen ganz im Sinne der uns heute akademisch
anmutenden Idealisierungsbestrebungen seiner Zeit befangen ist, so vermag doch die
meisterhafte Erzählungskunst Grottgers dem leidenschaftlich gesteigerten Nationalgefühl
einer erregten Zeit einen so konzentrierten Ausdruck zu geben, daß der bleibende Wert dieser
Leistungen ungeschrnälert weiter wirkt. Durch die vornehm abgeklärte Form quillt der
reiche und lebendige Inhalt so mächtig, daß er auch heute noch dem Beschauer ans
Herz greift.
In Jan Matejko (1838-x893), dem künstlerischen Nationalheros der Polen, ist keine so
starke Abhängigkeit von der Gebundenheit der Zeit; die mit Menzelscher Eindringlichkeit
hingesetzte Zeichnung, welche hier in prächtigen Porträtstudien glänzt, tritt in den
großen inhaltsreichen Gemälden hinter einer tiefen und kraftvollen Farbe zurück, die den
flämischen Barockmeistern nahesteht. Auch hier wird ein ungemein reicher, fast zu
bewegter Vorgang zum gesteigerten Ausdruck leidenschaftlichen Innenlebens. Aber mit
Vorliebe verweilt der temperamentvolle Künstler beim Glanz und Prunk der polnischen
Fürstenhöfe, er denkt an monumentale Aufgaben und hat solche auch in der alten Königs-
stadt Krakau gelöst.
Neben diesen beiden so typischen Vertretern des Schmerzes um verlorene Größe und
des heftigen Willens zur Wiedererlangung von Macht und Glanz sind die eleganten Arbeiten
Piotr Michalowskis (x8oo-x85 5) und Julius Kossaks (r824-r89g) ergänzende Leistungen,
die den Zusammenhang mit der Wirklichkeit herstellen - es sind die Weltkinder neben
den Propheten.
In eine ganz andere Atmosphäre versetzt uns die zweite Abteilung der Ausstellung,
welche den Zeitgenossen gewidmet ist. Hier hat der Kontakt mit der Kunst anderer Nationen
die nationale Grundstimmung in neue Wege geleitet.
Die ausgeglichene vornehme Porträtkunst moderner polnischer Künstler ist ebenso
wie die krähige temperamentvolle, zum Dekorativen neigende Art aus allen internationalen
und vielen heimischen Ausstellungen vorteilhaft bekannt. An den Akademien von Krakau
und Wien wirkt ihr Einfluß.
Als Erben Grottgers und Matejkos arbeiten einige symbolisierende Künstler auf dem
uns fremd gewordenen Gebiet allegorischer Darstellung. Ihre Vorarbeiten, Studien und
Details muten uns weit verständlicher und anregender an, wie jene Kompositionen, die
nicht voll überzeugen können, weil sie den Geist vergangener Zeiten lebendig erhalten
wollen.
Ganz auf dem Boden der realen Welt und voll temperamentvoller Naturbetrachtung
sind jene Werke, die der herrlichen Gebirgsnatur und dem farbenfreudigen urwüchsigen
Gebirgsvolk Polens ihre Grundlagen verdanken. Der Weg aus der historischen und
politischen Weltbetrachtung in die bodenständige Welt des Studiums von Volk und Natur
hat der polnischen Kunst einen besonderen Kraftzuwachs gebracht. Gerade hier liegt eine
neu erschlossene Quelle, aus der eine nationale Eigenart ßießt; sie wird von lebendigen
aufnahms- und darstellungsfreudigen Künstlern in prächtigen farbenfrohen und dekorativen
Werken geltend gemacht, die schon oft die Zierde großer Schaustellungen bildeten und
auch in dieser gut, wenn auch nicht vielfältig vertreten sind.
Indem wir hier manche Persönlichkeiten besser kennen lernen, geschätzte Größen in
weniger bekannten Werken wiederfinden, wird unser Bild von polnischer Kunst in mancher
Hinsicht ergänzt.
Zugleich wird die Überzeugung gestärkt, daß in diesem begabten und temperament-
vollen Volk künstlerische Kräfte schlummern, die noch lange nicht ausgeschöpft sind.
Man kann nur mit warmer Zustimmung begrüßen, daß nationaler Stolz und Zusammen-
schluß der heimischen Kunst tatkräftig und fördernd gegenübersteht. Man muß für solches
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