Gewià lagen die VerhÀltnisse besonders seit Kaiser Josefs II. Zeiten fÌr
die Wiener Seidenweber in vieler Beziehung sehr gÃŒnstig, doch dÃŒrfen wir
nicht glauben, daà Wien in jener Zeit eine Art Schlaraffenland war, in dem
man nur mit oHenem Munde dazuliegen und zu warten brauchte, bis die
gebratenen Enten wohl zubereitet und zerlegt heranflogen.
Allgemeine Vorstellungen versagen oft sehr, wenn wir ins Einzelne
eindringen, so auch hier; deshalb dÃŒrfen wir im folgenden das Eingehen in
Einzelnheiten auch nicht scheuen. FÌrwahr, auch damals gehörten Geschick-
lichkeit, Fleià und Unternehmungsgeist dazu, wenn man die Gelegenheit
wenigstens beim Schopfe erfassen wollte. Und wir werden sehen, daà sich
in der NÀhe manches anders darstellte als heute im verklÀrenden Schimmer
der Vergangenheit.
Im ganzen handelt es sich bei der österreichischen Seidenweberei ja um
keine sehr femen Zeiten. Immerhin ist das Zeitalter, das uns hier hauptsÀchlich
beschÀftigen soll, inzwischen "historisch" geworden. Es liegt uns, wenn wir
so sagen dÌrfen, doch schon so fern, daà es uns als Allgemeinheit geistig
wieder nÀhergerÃŒckt ist, daà wir ihm nicht mehr als einem zu Ãberwinden-
den oder eben erst Ãberwundenen feindlich gegenÃŒberstehen, daà uns das
Unangenehme jener Zeiten nicht mehr persönlich krÀnkt, daà wir vielfach
dort sogar nur das Gute sehen, das uns heute gerade fehlt, und daà die blau-
ende Ferne uns alles milder und einheitlicher erscheinen lÀÃt. Darin liegt auch
die ErklÀrung, warum wir seit einer Reihe von Jahren jener Zeit wieder
gerechter, bisweilen sogar voreingenommen, gegenÃŒbertreten, weshalb wir
uns wieder eingehender mit ihr beschÀftigen und Verwandtes in ihr finden
können, ohne rÌckschrittlich zu erscheinen. Wir wollen uns deshalb auch
keineswegs auf den Entdecker einer verkannten Schönheit hinausspielen,
obwohl wir vielleicht sagen dÌrfen, daà die Schönheiten der Stoffe jener Zeit
bisher noch am wenigsten gewÃŒrdigt werden konnten; denn die meisten Samm-
lungen sind in einer Epoche entstanden, die fÃŒr jenes Zeitalter am wenigsten
VerstÀndnis besaÃ.
Ãber die ÀuÃeren VerhÀltnisse des österreichischen Gewerbes und
Kunstgewerbes sind wir fÃŒr die Zeit zu Ende des XVIII. und zu Beginn
des XIX. Jahrhunderts, die uns hier vor allem beschÀftigen, im allgemeinen
vielleicht besser unterrichtet als Ìber die meisten andern Epochen öster-
reichischer Entwicklung. Es ist bereits eine Zeit reichen Schaffens, aber
doch noch nicht so umfangreichen, daà sich das Geleistete nicht mehr Ìber-
blicken lieÃef"
Das Werk von Stephan Edlen von Keeà âDarstellung des Fabriks- und
Gewerbewesens im österreichischen Kaiserstaate" (Wien 181g ff.) und die von
demselben sowie von W. C. W. Blumenbach herausgegebene Fortsetzung
unter dem Titel âSystematische Darstellung der neuesten Fortschritte in den
' Ein Aufsatz von Eduard Leisching ÃŒber "Kunst und Industrie in Ãsterreich vor hundert Jahren" (in
dieser Zeitschrift 1915, Seite x H.) bietet bereits mehrere Hinweise auf die Àltere österreichische Weberei. Im
allgemeinen wÀre auch das von demselben redigierte Werk "Der Wiener KongreÃ" (Wien, x8g4) heranzuziehen,
in dem zahlreiche Denkmale österreichischer Kunst jener Zeit abgebildet sind.