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tischen Zeit versagt. Daher scheiterte auch Schinkels Gotik, woran die
mittelalterlichen Gelüste von Hübsch und Gärtner gescheitert sind, an dem
Nichtverstehen ihrer Grundelemente, an der bloß dekorativen Art, ihre
Äußerlichkeiten sich anzueignen. Seine Entwürfe zeigen mehr den hoch-
iiiegenden Sinn des Phantasten, dem es die Poesie der hohen Wölbungen
und das Fialengewirr des Kölner Doms angetan haben, als den praktischen
Verstand des Architekten, der mit der Schwere des Materials rechnen
muß; seine ausgeführten Bauten sind von schematischer Nüchternheit. Die
eiserne „Spitzsäule" auf dem Kreuzberg in Berlin vollends gibt Anlaß, ihm
für die Einsicht dankbar zu sein, daß sein klassizistisch empl-indender
Gußeisernes Geländer an der Schloßbrücke in Berlin (nach Brüning)
Geschmack ihn die andern Entwürfe für Gußeisen nicht im „rheinischen
Stil" zeichnen ließ.
Die folgende Generation zehrte von dem Kapital, das der große Meister
hinterlassen hatte; besonders da noch bis zu den sechziger Jahren von einer
Kunstschlosserei nicht die Rede war und die Gitter nach wie vor gegossen
wurden. Erst Ende der fünfziger Jahre begann die Wiederaufnahme der
Schmiedekunst durch Werkstätten großen Stils. Das Eisen, dessen Bear-
beitung ja eine der ursprünglichsten und reizvollsten Taten des formenden
Geistes darstellt, genoß kraft dieses seines technischen Privilegs auch den
Vorzug, nach dem Verfall aller gewerblichen Leistungen im XIX. Jahrhundert
mit am frühesten zu neuem Leben erweckt zu werden. Wenn dieses Leben
auch, dem ganzen Zug der Zeit von „unser Väter Werk" folgend, sehr lange
ein eklektisches blieb und von der Schönheit des XVIII. Jahrhunderts zehrte,
so bleibt doch bemerkenswert, daß es selten in den extremen Verfall des Stil-