seiner Abwesenheit im Jahre 1521 kein neues Gemeindeoberhaupt gewählt
wurde, sondern laut Urkunde des Wiener Stadtarchivs vom Montag nach
Judica 1521 ein gewisser Dr. Bernhardin Kirchlamnitzer als „Verweser des
Burgermaisterambts zu der Newenstat" die Geschäfte der Stadt führte. Das
Verwandtschaftsverhältnis Funcks zu Cuspinian erhellt aus einem Eintrag
im Wiener-Neustädter Grundbuch (Stadtarchiv, Gewerbuch fol. 424), wo
wir unterm Jahre 1524 lesen, daß ,-,Margaretha weilennt Alexien Fungkhen
verlassen wittib vnd Agnes Ir Swesster herrn Johann Cuspian (sie) doctor
etc. f. d. Stat Anwalt zu Wyenn Eeliche hawsfraw" „nutz vnd gwer" eines
Hauses erhalten, „das von weilennt Ipoliten Stainer . . . an die obgenannten
bede geswistreid Margrethen vnd Agnesen . . . Erblichen komen ist".
In dieser Verschwägerung mit einem Mitgliede der angesehenen
Memminger Patrizierfamilie Funck liegt nun der Schlüssel zum Verständnis
der Beziehungen Cuspinians zu Bernhard Strigel. Denn letzterer stand nach-
weisbar mit den Funcks in Fühlung -- ein Vetter des Alexius namens Wolfgang
Funck war zum Beispiel gleichzeitig mit Strigel Pfleger an der St. Martins-
kirche zu Memmingenf" in welcher schon 150g eine eigene „Funkenkapelle"
existierte" - und es ist daher als sicher zu betrachten, daß Meister Bernhard,
als er im Juli 1515 zum erstenmal nach Wien kam, es nicht versäumt haben
wird, seinen Landsmann Alexius Funck in Wiener-Neustadt aufzusuchen,
der ihn dann wieder mit seinem Schwager, dem einiiußreichen Wiener
Stadtanwalt Dr. Johann Cuspinian, bekannt machte. S0 öffneten sich dem
Künstler auf leichte Weise die Tore des gastfreundlichen Anwalthauses
und man versteht jetzt ohne weiteres, warum sich Cuspinian später gerade
von Bernhard Strigel malen ließ. _
Forschen wir nach den Beweggründen, die den schwäbischen Meister
im Jahre 1515 in die Donauresidenz geführt haben, so wird man nicht
fehlgehen, wenn man als unmittelbare Veranlassung zu dieser Reise die
prunkvolle Doppelvermählung im Kaiserhause betrachtet, die in der am
22. Juli 1515 im Wiener Stephansdom erfolgten Trauung der Enkel
Kaiser Maximilians mit den Kindern des ungarischen Königs Wladi-
slaw II. ihre kirchliche Weihe erhieltfie" Eine so große Zahl von Fürst-
4' Vgl. die Auszüge aus den Mernminger Ratsprotokollen bei Robert Vischer, Neues über Bernhard
Strigel, Jahrbuch der königlich preussischen Kunstsammlungen, VI. Band (1885), pag. 50: 1521, 28. August:
„Strigel soll anstat Wolff funcken Eberharten Zangmeister heißen die piieg zu sant Martin versehen";
pag. 56 : 1526, 8. juni: „Funckh und Strigel sein gebetten worden die pdeg (bei St. Martin) zu Verwesen". Wolf
Funck war ein Sohn des Andreas Funck, dessen jüngerer Bruder Johann der Vater unseres Alexius war.
Vgl. Paul von Stetten, Geschichte der adelichen Geschlechter in der freyen Reichs-Stadt Augsburg (Augsv
burg 1762), pag. 223. Einer Schwester dieses Wolf Funclr namens Susanna vermachte Alexius Funck in seinem
Testament ein Legat von zum Gulden rheinisch („Item . . Schaff vnd verorden Ich Susanna Andreen Funckhen
Tochter . . vrnb lrer getreuen dinst willen so Sy mir vnnd meiner Hausfrauen williclicben beweist hat,
zwayhundert gulden Reinisch").
"W Vgl. Robert Vischer, Beiträge zu einer Kunstgeschichte von Memmingen (Allgäuer Geschichtsfreund,
IIX. Jahrgang, 1890), pag. 34.
""'"" Vgl. über den Wiener Kongreß von 1515 Xaver Liske, Der Congreß zu Wien im Jahre 1515, in For-
schungen zur Deutschen Geschichte, VII. Band (1867), pag. 463 5.; H. Ulrnann, Kaiser Maximilian 1., z. Band
(Stuttgart rägl), pag. 54g Hi; A. Weidl, Der Wiener Kongreß im jahre 1515 und seine Vorgeschichte (jahres-
bericht der mährischen Landes-Oherrealschule in Neutitschein xgogjzo).