Es ist auch begreiflich, daß ihr die Art des italienischen Klassizisten
zusagen konnte. Die ungeheure Wucht, der aufs Große gerichtete Sinn, die
gewisse Weite und Breite, die sich mit liebevollem Eingehen in Kleinig-
keiten nicht allzusehr aufhält, die gewisse verstandesmäßige Kühle, der
Anspruch auf unbedingte Gültigkeit und die Möglichkeit, das Verschiedenste
mit denselben oder ähnlichen Mitteln auszudrücken, geben dieser späten
Blüte des italienischen Klassizismus so recht die Möglichkeit, einem weiten,
innerlich aber leeren, Cäsarenturn zum Ausdrucke zu dienen. Es ist so ein
echtes „Empire" entstanden, noch ehe es jenes Kaisertum gab, nach dem
wir diesen Stil eigentlich benennen. Aber hatte das spätere französische
Kaisertum nicht manches Verwandte mit dem Cäsarentume Rußlands?
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Abb. 6. Längsschnitt durch den Speisesaal im Modena-Palais (siehe Abb. 5)'
Und was Katharina künstlerisch recht war, paßte auch für ihre Nach-
folger Paul I. und Alexander I.; auch diese Herrscher wahrten Quarenghi
dauernd ihre Gunst, bis er im Februar des Jahres 1817 hochgeehrt verschiediii
Daß Quarenghi übrigens trotz der Lobeshymnen, die sein Sohn auf die
russischen Herrscher anstimmt, bei diesen nicht immer volles Verständnis
gefunden haben mag, kann man vielleicht daraus erkennen, daß der Triumph-
bogen für KaiserAlexander nicht nach dem viel originelleren ersten Entwürfe,
sondern nach einem 'mehr herkömmlichen späteren, ausgeführt worden ist"?
t Die Überschrift lautet: „Proiet de la Salle ä munger de San Altesse Rayale Filrchidußhzsse Marie
Beatrice de Modelle ü Vienne," die Unterschrift: „chev. de Quarenghi" und „Gr. Kalpukof" (dieser, der
Stechernarne in russischen Buchstaben).
M Wir bemerken, hier, daß, auf Quarenghi folgend, noch zahlreiche Italiener für die russischen Herrscher
tätig waren und für sie die wichtigsten Gebäude ausführten. So erwähnt Merzario (Band 2, Seite 576) nicht
weniger als sieben nach Rußland gewanderte Meister allein aus dem Gebiete von Como. Viel trug später auch der
Ruhm der Mailänder Akademie dazu beß eine auch für die österreichische Kunstgeschichte wichtige Tatsache.
"V" A. a. 0., Tafel 44 bis 46. Wenn es im Texte des Werkes heißt, daß der zweite Plan wegen Zeitmangels
und als ritenuto di piü facile eszcuzione ausgeführt worden sei, ist das wenig überzeugend. Wichtig ist uns
jedenfalls, daß das I" Pmjef überhaupt abgebildet ist, offenbar weil Quarenghi besonders Wert darauf legte.
Ein auf Seite 39 und 40 abgedtuckter Brief an Canova zeigt auch, daß Quarenghi wohl den Mut haben
konnte, die doktrinären Stilregeln seiner Zeit zu durchbrechen, daß er sich aber doch genötigt fand, eine Ab-
weichung erst besonders zu rechtfertigen.