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als möglich der Natur nachznbilden, als käme es darauf an ein Gemälde herzustellen, das
Auge so zu täuschen, dass man den Teppich, den Bhawl, das Messgewand oder Bzllkleid
mit lnbendigen Bliithen und Banken geschmückt wähne. auf der anderen entlehnt man,
dem Beispiele des Orients, der Renaissance etc. folgend, der Plianze nur das Motiv, wel-
ches mit künstlerischer Phantasie und Freiheit umgestaltet und verwendet werden darf.
Unter den Orientalen nun sind es die lndier, welche sich am strengsten nach dieser
Kunstweise richten und zugleich den meisten Schönheitssinn, den grössten Reichtbum, die
grösste Freiheit der Phantasie damit verbinden, während die Perser sich am meisten der
naturalistischen Ornarnentation nähern. Diesen Theil der indischen Ausstellung bezeich-
nete der Redner als den Poetenwinkel des grossen Bazars; mit den decorativen und co1o-
ristischen Reizen der Kleiderstolie, Teppiche und Decken habe sich nichts vergleichen
lassen. Wer die bescheidene, warme, wahlthuende Wirkung suchte, wer Pracht und Glanz
verlangte, wer ein schönes, schwungvoll gezeichnetes Ornament liebt, fand reiche Befrie-
digung an den Shawls von Kaschmir, deren Grund fast gänzlich mit Verzierungen bedeckt
und auf denen die einzelnen Farben so in kleine Flächen zertbeilt sind, dass sia in rich-
tiger Entfernung in einen, meist röthlich braunen Ton zusammendiessen, welcher unmittel-
bar auf der Palette nicht mit diesem wunderbar spielenden und schimmernden Lustre zu
erreichen wäre, deren grcsses Muster endlich auf reichen Faltenwurf berechnet ist; - an
den nach demselben Yrincip ornamsntirteu Gold- und Bilberstoßen, welche in griinem,
rothem, violettem, goldenem Feuer glänzten, - an den prachtvoll mit Seide, Gold- und
Silberfäden oder auch mit den Fliigeldecken glänzender Käfer gestrickten Schleisrn etc.
Es ergab sich hier die Gelegenheit, hervorzuheben, dass an indischen Schleiern wohl der
Band und dieser so reich als möglich gestickt ist, nicht aber der Theil, welcher bestimmt
ist, das Gesicht zu verhiillen, und dessen Zeichnung in der That nur das Gesicht ent-
stellen kann. Ferner wurde erwähnt, wie die Kinder jener indischen Familien, in welchen
die Kunst der Weberei und der Stickerei sich von Geschlecht zu Geschlecht forterbt, von
frühester Jugend auf das Auge, die Hand und zugleich den Geschmack bilden lernen, in-
dem sie angehalten werden, Punkte in gleichen Abständen zu legen, dieselben durch Li-
nien zu verbinden, Figuren zu legen aus Blumenblitttern u. dgl. m.
Die indischen Teppiche verhalten sich nach Falke's Darstellung zu den persi-
schen wie blumige Wiesen zu Pracbtgärten. Die Perser nähern sich in der Beniitzung
der Alumenornamente fiir Fussteppiche, Vorhänge, Seidenstoße, gedruckte Kattune wie fiir
Fayencen. Emails etc. dem Naturalismus, ohne jedoch in das Copiren der Natur zu ver-
fallen; wogegen die Muster jener mosaikarüg zusammengesetzten Tischdecken, deren Nähte
mit tambourirten Stichen in Seide gefasst sind, an die Wanddecorationen der Araber in
Spanien erinnern. An den türkischen Arbeiten liess sich der Einfluss der Mannigfaltig-
keit der Nationalitäten, welche dortzulsude die Künstler und Handwerker stellen, anderer-
seits der häuiigeren Berührung mit der europäischen Oivllisation beobachten. Eben diese
macht sich auch an der Nordküste Afriufs geltend neben dem noch fast unverändert er-
haltenen Sül des Mittelalters.
Am entschiedensten manifestirt sich die Bekehrung zu den wichtigen Grundsätzen
der Fllichenorunmentnticn und das Bestreben, auf diesem Wege zu einem originalen Corn-
positionsstil zu gelangen, in der englischen Teppichindustrie, in den deutschen und fran-
zösischen Fabriken werden noch beide Stilweisen neben einander gepflegt. Der Preis in
der neuen Richtung in der Teppicbfabrication aber müsse, sprach der Redner aus, wider-
spruchslos Oesterreich, d. h. der Fabrik von Haas ü Söhne zuerkannt werden, wogegen
in nach indischer Weise mit Bordüren bedruckten Kleiderstotien das Vorziiglichste und
Geschmackvollste der Elsass leistete. Dieser Theil der Ausstellung der Elsässer Webereien
und Druckereien bildete jedoch nur eine Oase inmitten einer Wildniss vOn Stoßen, die in
geschrnackwidrigster Weise mit Menschen- und Thieriiguren, Portraits, ganzen Genre-
scenen u. s. w. bedruckt waren. Das Sinnigste in dieser Rivlltnng ist ohne Zweifel, den
unteren Saum von Damenkleidern mit Portrsinnedaillons, Liehesscenen. Amorettengrnppen
etc. etc. zu schmücken, welche die Bestimmung haben. mit Staub und Schmutz in unmit-
telbarste Berührung zu kommen. Mit Recht tadelte Falke auch die Lynner Mode, dunkle
Seidenstutfe am unteren Rande derart mit einzelnen Blumen zu schmücken, das diese wie
angehängt erscheinen. Wie auf Damenkleidern, Herrenhemden, Tßsrghgntiichgrn n. a, w_
kommen die Medaillonporträts auch auf französischen Vorhängen -nnd 'l'apeten vor, wie
z. B. eine gewirkte Tapete in regelmässiger Wiederholung die Bildnisse - oder richtiger
Caricaturen der Bildnisse - der kaiserlichen ldnmilie von Frankreich zeigtel Eine solche
Verirrung ist um so unbeg-reiilieher, als es doch keinem Menschen einfallen wiirde, das-
selbe Bild in mehreren Exemplaren an dieselbe Wand zu hängen. Ferner waren mit dem
höchsten Aufwands der Technik in Tischtücher - Copieu RnphuePschr-r etc. Gemälde
eingcwebt. Welche reizende Idee: der Fischzug Petri in Figuren von Zweidrittel-Leheirs-
grösse, zum Theil mit Schüsseln und 'l'ellcrn besetzt, zum 'l'lxcil in Falten vom Tisch