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irische Vortragsweise bis zum Aeussersten vorgegangen; bei den anderen
zeigte sie sich mehr in der Art der Gruppirung, dem Anhäufen und
Uebereinander- (nicht Nebeneinander) stellen der Figuren, in der male-
rischen Behandlung der unruhig bewegten Gewänder.
Nur wenige der Compositionen sind in den Raum hineincomponirt
und füllen ihn, wie es das Stylprincip der Medaille verlangt, vollständig
und harmonisch; relativ am meisten die Schwenzefs, und in gewisser
Beziehung die Pier0tti's und Cesar's. Bei mehreren Compositionen
könnte man sagen: sie passen für einen viereckigen Raum eben so gut,
wie für den kreisrunden einer Medaille.
Einigen von den Entwürfen sieht manrdeutlich an, dass sie von er-
fahrenen Medailleuren, fachgeübten Künstlern herrühren; zwei von den
Concurrenten waren keine Medailleure von Fach, sondern Bildhauer.
Das Relief auf einer Medaille soll nicht wie auf der Fläche der Me-
daille aufgeklebt erscheinen, sondern aus derselben gewissermassen heraus-
wachsen. Daher verlangt das Relief einer Medaille eine besondere Behand-
lung, ein stylgemässes Tractament. ÄNicht zu allen Zeiten hat man es
verstanden, diesem Reliefstyl einen künstlerischen Ausdruck zu geben.
In unserem Jahrhunderte kommen selten Medaillen vor, welche diesen
Anforderungen genügen. Bei den meisten erscheint die Behandlung hart
und trocken. Auch eine aufmerksame Betrachtung der ausgestellten Re-
liefs zeigt deutlich, wie selten eine gute Reliefbehandlung vorkommt. Die
deutsche Schule leidet an einer gewissen Trockenheit, die französisch-
englische durch ein oberflächliches Eingehen auf Modeströmungen der
Malerei, die italienische durch ein starres Festhalten an die antiken Tra-
ditionen der Zeit und Schule Canova's.
Auch in der Composition kann man ähnliche Bemerkungen machen.
Die Grazien eines Reliefs sehen aus wie Ballerinen eines Hofoperntheaters,
der Genius eines andern Künstlers ist eine in das Relief übertragene
Offenbaclfsche Frivolität. Manche Compositionen ähneln einem Rebus.
oder einer Charade; man muss nachgrübeln, um zu wissen, was der Künstler
sich dachte. Einfachheit des Gedankens, wie sie die Composition einer
Medaille verlangt, kömmt nicht häufig vor; am banalsten ist jene Aus-
hilfe, wo der Künstler das in Worten ausspricht, was er in Formen sagen
sollte. In vielen Fällen allerdings ist auch die Aufgabe der Art, dass man
sie künstlerisch nur durch Umwege erreichen kann,- und da nicht voll-
ständig. Aufgaben gerade, wie sie Weltausstellungen brauchen, sind nicht
sehr geeignet, eine ungesuchte, am allerwenigsten eine einfache Lösung zu
erhalten. Der Künstler muss daher oft zu verzweifelten Allegorien oder
gruppenreichen Bildern greifen, um sich verständlich zu machen oder
der Aufgabe zu genügen. ln der Noth greift er zu den drei Grazien oder
dem Unheil des Paris. Stimmen diese Gegenstände auch nicht vollständig
mit dem Programme, so geben sie wenigstens ein schönes leicht verständ-
liches Bild. Eine so ausgebildete plastische Kunstsprache, wie die der