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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 3)

Schwerer als bei der Architektur scheint es bei der classiachen Plastik glaublich, 
dass sie bunt gewesen sei. Dass sie es aber war, was in nicht mehr bezweifelt werden 
kann, verdankt sie ebenfalls dem Einfluss des Technischen. Die Stufenfolge ist dabei 
folgende: als man begann statt des Kalksteines beim Tempelbau Marmor zu verwenden, 
da begnügte man sich zunlchst, nur hervorragende Bautheile, etwa Säulen und Giebel, 
aus diesem kostbaren Stoß zu fertigen. War nun, wie es die Nothwendigkeit forderte, 
der Kalkstein der Wände getüncht, gefarbt, so konnten die Msrmortheile nicht in ihrer 
blendenden Weiße verbleiben; und wurden sie bunt, so durften wiederum die Giebel- 
ßguren nicht weiß bleiben - auch sie mussten sich dem allgemeinen, von der Natur 
gleicherweise wie vom Kunstgefühl ditirten Farbengesetze unterwerfen. 
Aehnliche, nicht minder folgenreiche Beeinliussung des Kunstcharakters lasst sich, 
wie nicht anders zu erwarten, ebenso in der Metallbearbeitung, in der Gravirung, dem 
Treiben, dem Guss erkennen. Dabei ist es lehrreich zu sehen, dass die Kunstentwiek- 
lung in ihrer aufsteigenden Linie, bei den Hellenen, weit entfernt von einem realistischen 
Featkleben am Stoß und an technischen Hilfrnitteln, doch jedes Material in seinen ihrn 
eigenthürnlichen Eigenschaften benutzte und nach diesen zur Geltung brachte, während 
mit dem Verfall der Künste gleichbedeutend die übertriebene Vorliebe ist für prunk- 
volle, theuere Stoffe einerseits, für ihre Verkennung in technischer Hinsicht andererseits. 
Es gab beim Sinken des Geschmackes Künstler, welche Portratküpfe aus Alabaster 
anfertigten oder jenes Bauwerk für das monumentalste hielten, dessen Material am 
schwersten zu bearbeiten war. 
Der Helleae stand den Anfangen der Kunst selbst in der hochsten Blüthezeit 
noch zu nahe, als dass er den Ursprung der Künste, ihr Herauswachsen aus dem Hand- 
werk je hatte ganz vergessen können. So wenig er mit Construction und technischer 
Fertigkeit zu prahlen liebte wie das Mittelalter, so gut verstand er sich doch darauf. 
Er muss uns auch darin das Vorbild bleiben. Seinen Spuren folgend, dürfen wir ihn 
nicht blos Äußerlich eepiren, sondern müssen wie er die Bedürfnisse, das Erdgehorene 
der Kunstschbpfungen scharf ins Auge fassen, den ewig gleichbleibenden Gesetzen des 
Schönen die veränderlichen Bedürfnisse und Anforderungen zu Grunde legen, in den 
großen wie in den kleinen Künsten das Technische, das Constructive, Stotfliche ver- 
stehen und beherrschen, es nicht negiren und nicht regieren lassen, sondern veredeln 
lernen, eingedenk des SernpeHschen Wortes: nDie Kunst kennt nur einen Herrn: das 
Bedürfnissu 
Litteratur-Bericht. 
Une necropole royale a Sidon. Fouilles de Hatndy Bey, par O. Hamdy 
Bey et Theodore Reinach. Paris, Ernest Leroux, 1892. gr. Fol. 
Lief. 1 u. z, ä M. 60. 
Die vorliegende Publication ist fnr die Wissenschaft der antiken Kunst ein Ereig- 
niss, das nachhaltige Wirkung ausüben wird. lm Jahre 1887 ging durch die Tagesblätter 
die Nachricht, bei Salda, dem alten Sidon, der Hauptstadt Phnnikiens, sei eine Necropole 
mit einer großen Anzahl antiker Sarkophage, unter welchen sich auch derienige des 
großen Alexander befinde, aufgedeckt worden. Authentisches und Ausführliches über 
diesen Fund erfuhr man erst durch einen Aufsatz Th. Reinach's in der nGazelte des 
beaux-artsn des verflossenen Jahres. dem die erste Lieferung der Publication schnell auf 
dem Fuße folgte. Es wurden im Ganzen 2a Sarkophage gefunden, 17 in einem gemein- 
samen Grabe, und nach Constantinopel gebracht, wo sie nun den Hauptanziehungspunkt 
des kaiserlich ottomanischen Museums bilden. Vier von ihnen sind figural verziert und 
von atttschen Künstlern, aber wie sich aus bestimmten lndicien ergibt, direct fnr die 
Ausfuhr nach dem barbarischen Osten verfertigt worden. lhre Bedeutung liegt darin, dass 
sie alter sind als die bisher bekannten griechischen Sarkophage und dieselben, auch den 
Wiener Amazonensarkophug nicht ausgeschlossen, an Kunstwerth weit hinter sich lassen. 
Der älteste, welcher die aus Lykien bekannte Form hat, zeigt den Stil der Parthenon- 
sculpturen in voller Reinheit, wenn auch nicht auf der gleichen Hohe. Von seinen Reliefs 
sind die Centautenklmpfe der Nebenseiten indifferent: Entlehnungen aus dem Repertoire 
der damaligen Bildnerei, während in den Jagdscenen der Langsseiten der Grundgedanke 
der alteren griechischen Grabplastik, das Streben nach einer Chnrakterisirung des Todten 
innerhalb gewissen Typen, wenigstens leise auklingt. Einen neuen Weg sehen wir die 
Sarkophagsculptur einschlagen an dem rasch berühmt gewordenen Sarkophag udes pleu- 
reusesn, dessen Künstler in der Generation zwischen Phidias und Praxiteles zu suchen 
ist. Hier ist jede Beziehung zu einem bestimmten Todten aufgegeben und durch - sollen
	        
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