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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1892 / 5)

Bauern, die einen Kilim besitzen, sind es wieder nur die allerwenigsten, 
die denselben beständig über dem Bette ausgebreitet liegen haben. In 
der Regel geschieht dies überhaupt nur mit alten schadhaften Exem- 
plaren; jeder bessere Kilim wird in der Familientruhe aufbewahrt und 
nur bei sehr feierlichen Anlässen, insbesondere aber bei Sterbefällen, an's 
Licht gezogen. Kilims sind ferner das gewöhnliche Geschenk der wohl- 
habenderen Bauern an die Kirche, wo dieselben dann zum Bedecken der 
Altarstufen dienen. 
Nach drei Seiten hin müssen die podolischen Kilims betrachtet 
werden, wenn man sich ein richtiges Bild von denselben verschaffen will: 
nach der Art ihrer technischen Herstellung, nach dem dabei üblichen 
wirthschaftlichen Betriebssystem, endlich nach ihrer ornamentalen Aus- 
stattung, in Bezug auf Muster und Farbe. 
Dass die technische Herstellung der ruthenischeu Kilims auf 
der Wirkerei, d. i. auf der primitivsten Art der Weberei, beruht, habe 
ich schon in den einleitenden Bemerkungen erwähnt. Als technisches 
Hilfsmittel gebraucht der podolische Teppichwirker einen Webstuhl. Dieser 
Webstuhl ist nichts anderes als der gewöhnliche mitteleuropäische Leinen- 
wehstuhl. Ja die schmalen Kilims, deren je zwei zu einer Decke zu- 
sammengenäht sind, werden noch heute auf einem und demselben Web- 
stuhl gearbeitet, auf dem der Bauer seine Leinwand webt. Wenn wir 
nun im Weiteren sehen werden, dass gerade die Muster der schmalen 
Kilims den primitivsten, also ältesten Charakter zur Schau tragen, so 
ergibt sich daraus der zwingende Schluss, dass der podolische Teppich- 
weber ursprünglich überhaupt keinen eigenen Kilimwebstuhl gehabt haben 
dürfte, sondern auf seinem schmalen Leinenwebstuhl je nach Bedarf ent- 
weder Leinwand oder Wollteppiche angefertigt hat. Diese Thatsache, an 
sich vielleicht unscheinbar, gewinnt aber eine außerordentliche Wichtig- 
keit mit Rücksicht auf die Frage nach dem Ursprung der ruthenischen 
Teppichwirkerei. Man kann in allen einschlägigen litterarischen Berichten 
lesen und hält es überall im Lande Galizien selbst für eine ausgemachte 
Thatsache, dass die ruthenische Kilimwirkerei aus dem Orient nach Ga- 
lizien verpflanzt worden ist. Gelegenheit dazu war ja in der That reichlich 
gegeben durch die nachbarlichen Beziehungen - freilich nicht der freund- 
lichsten Art - in denen das Königreich Polen in den letzten Jahrhun- 
derten seines Bestandes zu den Turko-Tataren gestanden ist. Polnische 
Krieger geriethen in türkische Gefangenschaft und kehrten oft erst nach 
langjährigem Aufenthalte im Innern des türkischen Reiches (z. B. in 
Kleinasien oder Syrien) in ihre Heimat zurück, wohin sie dann manches 
in der Fremde Erlernte mitgebracht haben konnten. Umgekehrt wurden 
tatarische Kriegsgefangene auf polnischem Reichsboden angesiedelt, was 
insbesondere durch Ortsnameu erwiesen erscheint. Und zwar ist dies in 
der Regel in unmittelbarer Nähe der großen Herrenschlösser geschehen, 
sei es, weil die Gefangenen von den Besitzern dieser Schlösser im Kriege
	        
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