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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1890 / 3)

N E: 
anderen Teppich (Oesterr. Museum) stürmen die wilden Männer, auf 
Fabelthieren reitend, eine gleichfalls von wilden Männern vertheidigte 
Burg, während links davon zwei Männer und eine Frau, auch diese 
letzteren demWaldgeschlechte angehörend, unter einem Zelte zum Schmause 
versammelt sind. Von letzterem Teppich findet sich eine in allem Wesent- 
lichen identische Wiederholung auf der Wartburg, woraus deutlich her- 
vorgeht, dass diese Darstellungen nicht immer aus der jeweiligen Phan- 
tasie des Verfertigers heraus, sondern bereits nach gegebenen festen Vor- 
bildern, also wohl nach gemalten Cartons hergestellt wurden. Man ist 
geneigt, diese Teppiche noch in das 14. Jahrh. zuriickzuversetzen; - der 
paiäograpische Charakter der Inschrift lässt am Straßburger Teppich 
eher das 15. Jahrh. vermuthen, wogegen in den Bandrollen des anderen 
sich Maiuskeln linden, die zu einer genaueren Zeitbegrenzung nicht zu 
gebrauchen sind. Von verwandten Darstellungen existirt in Basel ein im 
Beiwerk noch sehr alterthümlicher Teppich, mit ähnlichem Inhalt wie am 
Straßburger Teppich, doch sind dort die wilden Männer durch einen jungen 
Herrn und eine Dame ersetzt, deren Costl.'1m bestimmt auf das 15. Jahrh. 
hinweist. Man wird also vielleicht am besten thun, die Entscheidung 
zwischen dem 14. und 15. Jahrh. offen zu lassen. 
Von religiösen Darstellungen sind insbesondere hervorzuheben ein 
vortreülich erhaltener Tod der Maria (Dr. Figdor) aus Schloss Annen- 
berg im Vintschgau, und eine Anbetung der Könige (ders.) aus Ober- 
italien oder der Südschweiz. Eine weitere Anzahl von kleinen Dorsalien 
vertritt den Uebergang vom 15. zum 16. Jahrh., der in den meisten 
Fällen ziemlich weit in das letztere zu datiren sein dürfte. Vollständig 
auf dem Boden der Renaissance, nach lnhalt und Ausführung, steht 
aber ein prächtiger Behang mit dem Mythus von Ifyramus und Thisbe 
(Dr. Figdor), der in seiner noch immer gotbisirenden Inschrift die Jahres- 
zahl 1538 trägt. Dieses Datum mag die deutsche Rücklaken-Wirkerei 
nicht mehr lange überdauert haben, und dasselbe Schicksal hat wohl 
auch die Wirkerei von rein ornamental gehaltenen Tapeten gehabt, 
wovon sich ein Exemplar mit Granatapfelmuster (Dr. Figdor), Gelb in 
Roth, in der Ausstellung befindet. Unmittelbar daneben hängt eine 
ähnlich gehaltene Tapete aus Schloss Tratzberg (Graf Enzenberg), die 
ungefähr um das Jahr 1560 entstanden ist; dieselbe ist aber bereits gewebt. 
Damit hat die Teppichwirkerei als Volkskunst in Deutschland ihr 
Ende gefunden. Was späterhin in München und anderswo erzeugt worden 
ist, das hatte seine kurzlebige Existenz der vorübergehenden Laune ein- 
zelner Fürsten zu verdanken, die flämische oder französische Wirker in 
ihre persönlichen Dienste zogen, ohne dass aber deren Thätigkeit irgend 
eine nachhaltigere Wirkung auf dem deutschen Boden hinterlassen hätte. 
Wir haben also in den späteren Gobelinmanufacturen der deutschen 
Höfe nur Episoden der niederländischen und französischen Teppich- 
wirkerei zu erblicken, weshalb auch die nach dieser Richtung vorhandene
	        
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