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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1886 / 6)

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physikalischen Sammlungen, der Naturalien, der Kronjuwelen angeordnet zu haben, kommt 
August dem Starken von Sachsen zu. Das geschah zu Anfang des vorigen Jahrhundertes 
und im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden auch Sculpturen, die Gemälde, die Münzen, 
die Porzellane selbständig geordnet. Die Gemäldegalerie in Wien wurde in den Zwan- 
ziger Jahren in der Stallburg untergebracht, deren Benutzung aber erst 1773 ermöglicht. 
Diese Beispiele fanden Nachahmung in den meisten deutschen Residenzen, in Klöstern, 
auch Universitäten und andere hohere Lehranstalten erhielten nach und nach eigene 
Cabinete. Der Gedanke, dass alle derartige Sammlungen als Bildungsanstalten zu 
betrachten, und daher der ganzen Bevölkerung zugänglich zu machen seien, kam jedoch 
erst nach den napoleonischen Kriegen voll zum Durchbruche, und Schritt für Schritt 
wurden die Besuchsbedingungen liberaler. Seit der ersten Londoner Industrie-Ausstellung 
reihten sich jenen verschiedenen Museen die kunstgewerblichen an, welche nun wieder 
im Publicum einen Sammeleifer anfachten, gegen dessen Ueberwuchern heutzutage die 
Industrie Klage erhebt. Der Vortragende erörterte, inwiefern die Klage Berechtigung 
habe, nämlich, wenn die Marotte überhand nimmt, nur das wirklich oder angeblich Alte 
zu schätzen und das Neue, eben weil es neu ist, zurnckzusetzen. Diese Marotte kommt 
lediglich den Händlern und Falschern zu Gute und schädigt die lebendige Production. 
Selbstverständlich mussten die Gegner des Sammelns, welches keinen anderen Zweck hat, 
als eben zu sammeln, sich hüten, das Kind mit dem Bade zu verschntten. Hier wurden 
eingehend die Unterschiede zwischen systematischem, einem höheren Zwecke dienendem 
Sammeln einerseits, der Sammelwuth und der Modethorheit andererseits besprochen, und 
als eine Ehrenpßicht bezeichnet, auch das Tuchtige, was die eigene Zeit hervorbringt, zu 
würdigen und zu fordern. 
Literatur - Bericht. 
Kunst und Kunstgewerbe im Stifte St. Florian. Von Albin Czerny. 
Linz, 1886. 8". 317 S. 
Diese vortreffliche Arbeit ist mit vollster Anerkennung zu begrüßen. Der gelehrte 
und ltunstsinnige Bibliothekar des altberühmten Stiftes in Oberösterreich legt darin 
den ganzen Schatz seiner höchst emsigen Forschungen aus Urkunden und Rechnungen 
nieder, welche die Kunstangelegenheiten dieses seit Jahrhunderten als Pflegestatte der 
Künste blühenden Hauses betreffen. Wir erhalten damit eine bis in's kleinste Detail ein- 
gehende Nachricht über alle Verhältnisse der Architektur, Plastik, Malerei, Stuccatur- 
technik, Tischlerei, Goldschmiedekunst, Eisenarbeit etc., über den Kunsthandel aus Fern 
und Nah, über Verbindungen der kunstliebenden Prälaten mit Italien, Augsburg, Wien 
und anderen Städten über die mächtige Anregung, welche durch Jahrhunderte diese 
Kunstliebe für die Umgegend gab, so dass in kleinen umliegenden Ortschaften, wo heute 
keine Spur von Kunstthatigkeit zu finden ist, es damals zahlreiche Maler, Vergolder und 
Eisenarbeiter etc. gegeben hat. Für die noch so lückenhafte und irrthümerreiche kunst- 
geschichtliche Forschung unseres Vaterlandes hat das vortreifliche Buch auch deshalb 
großen Werth, weil es über einige der hervorragendsten Meister ganz neue und höchst 
wichtige Nachrichten beibringt. In dieser Beziehung verdienen besonders die Mittheilungen 
über die Maler Daniel Gtan, Martino und Bartolomeo Altomonte, über die Architekten 
Carlone und Jacob Prandauer, den Bildhauer Sattler, die Kunsttischler Jegg etc. Beachtung. 
Es ist nicht Vorliebe, wenn das XVerk in den Partien aus der spaten Renaissance- und 
Barockzeit mit größter Ausführlichkeit verweilt, sondern eine Consequenz der geschicht- 
lichen Thatsachen, aus denen ja erhellt, dass, wie überall in Oesterreich auch zu 
St. Florian, vornehmlich im t7. und 13. Jahrhundert, sich eine Kunstblüthe höchster 
Pracht und grüßter Fülle ereignete. Aber auch die älteren Zeiten bis in die frühe Ver- 
gangenheit zurück, als im finsteren Waldthale über dem Leichnam des römischen Kriegers 
Florianus sich eine schlichte Cella, dann ein karolingiseher Bau, dann ein Neubau des 
großen Alttnann erhob, Enden emsige und gewissenhafte Behandlung und kunsthistorische 
Erforschung. lm Ganzen umfasst das Buch bei dreihundert Namen, welche durchaus das 
Stift betreffen und seiner Kunstgeschichte angehören. Es ware in hohem Grade zu 
wünschen, dass dem ausgezeichneten Beispiele Czerny's in den übrigen geistlichen Cultur- 
statten Oesterreichs lieißige Nachfolge geleistet würde; nur so können wir die nur zu 
lang versaumte Schuld der Vergangenheit tilgen. l. 
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