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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1871 / 67)

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Urformen in ihren, durch die Eigenthümlichkeiten der Völker und Länder 
bedingten Verschiedenheiten kennen zu lernen, wird man sich stets mit 
Erfolg an die Erzeugnisse der Töpfer wenden. Betrachten wir die Thon- 
waaren gemeinster Sorte, wie sie im Orient, in Indien, in China, in Afrika 
und Mexiko und in Europa. zu verschiedenen Zeiten unter dem Einflüsse 
verschiedener Culturströniungen gemacht wurden und werden, so eröffnen 
sich uns zuweilen aus ihnen Gesichtspunkte, die uns tief in das eigent- 
liche Verständniss der Knnstformen eindringen lassen. Von hier aus 
werden wir vielleicht sehen, dass der Knnstforschnng, die sich his- 
her beinahe lediglich beschreihend verhielt, noch ein weites Feld der 
Thätigkeit oifen steht, wenn sie von der Beschäftigung mit den vollen- 
detsten Productcn herabsteigend, - wie die Sprachforschung im Volks- 
dialekt, - in der nationaleigenthümlichen Geräthbildnerei oft die Erklärung 
finden wird zu kunstgeschichtlichen Erscheinungen, die wir ',bis heute 
als vollendete Thatsachen hinzunehmen gewohnt sind, durchaus aber nicht 
auf ihre Gründe zurückführen können, was ja doch schliesslich das Ziel 
jeder wirklichen Wissenschaft sein muss. Hiernach wird mich der Leser 
vielleicht verstehen, wenn ich der Keramik mehr wissenschaftliche Wich- 
tigkeit beilege als dies gemeinhin, - mit Ausnahme der antiken Tlmn- 
bildnerei Italiens und Griechenlands - geschieht. Freilich werden sich die 
Früchte, die ein solches Eingehen auf diese für gewöhnlich etwas seitab 
liegenden Themata für die Erkenntniss der Kunstbewegnng trägt, nicht 
sofort pflücken lassen, klar ist es aber, dass die Kunst nicht hlos in den 
monumentalen Schöpfungen lebt, und wer das Ganze übersehen will, 
nicht die vor allen hervorragenden Spitzen allein betrachten darf. wie 
sehr das Studium unscheinharer Thonscherben geeignet sein kann, uns 
ein Bild von dem Urzustande der griechischen Kunst zu geben, hat un- 
längst Conze in einer vortrefflichen Arbeit klargelegt "). Diese fossilen 
Reste menschlichen Schadens ähneln den versteinerten Spuren unter- 
gegangeuer Gebilde der Natur nicht nur insofern, dass sie uns die hi- 
storische Kenntniss des Entwicklungsganges übermitteln, sondern auch 
darin, dass sie durch verloren gegangene Formen, die sie aufbewahren, 
uns in die Lage versetzen, ein vollständiges und lückenloses Bild 
der gesamniten Kunstbcwcgung zu entwerfen. Ich meine , dass die 
sogenannten handwerklichen Künste uns oft ein naturgexnässes Fort-i 
schreiten noch da. erkennen lassen, wo wir in der Kunst einen rälhsel- 
haften Sprung sehen. Man ist gewöhnlich sehr geneigt, eben diese hand- 
werklichen Künste in gänzlicher Abhängigkeit von der Kunst, die 
hleisterleistungen schafft, zu denken, während die Einflussnahme in um- 
gekehrter Richtung natürlich und völlig evident ist, da die Aensserungen 
auch des grössten Genie's lediglich bestimmt werden durch die Eindrücke, 
Ü Zur Geschichte der Anfänge griechischer Kunst. Wien 1870.
	        
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