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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1888 / 3)

mittelalterlichen Kunst behaftet. Aber man sieht alsbald das Können der 
Maler zunehmen. Eine höhere Stufe, die erste auf dem Wege der mo- 
dernen Kunst, bezeichnen die Bilder, welche von Cimabue und seinen 
Schülern gegen das Ende des dreizehnten Jahrhunderts ausgeführt wurden. 
Freilich, wenn Cimabue die Madonna malt, ist er noch ganz in den her- 
kömmlichen byzantinisch starren Formen befangen; er wagt es nicht 
diesem Gegenstande gegenüber, dessen Formen sich in der Verehrung 
traditionell festgesetzt harten, frei zu sein. Anders ist es mit den Gegen- 
ständen aus dem Leben des Heiligen. Auch hier bewahrt er noch die 
feierliche Würde der alten Schule, aber das neue Element einer wahr- 
haften Lebensdarstellung macht sich bereits erkennbar. 
Noch um einen Schritt weiter geht Giotto. sein größerer Schüler 
und Nachfolger, der größte Maler dieser Zeit und der Franziskaner- 
Richtung insbesondere. Zwar in der Darstellung der Madonna ist auch 
er traditionell befangen, und doch muss der Fortschritt erkennbar 
gewesen sein, wenn die Bewohner von Florenz sein Madonnenbild voll 
Entzücken im Triumphe durch die Straßen führen konnten. Aber seine 
Größe besteht in den Frescobildern, in denen auf dem Wege von Assisi, 
Pisa, Florenz und wo er sonst malte, ein steter Fortschritt zu erkennen 
ist, ein Fortschritt in der Technik wie in der realen Darstellung. Er 
war kein Neuling mehr in dieser Richtung. Er war aufgewachsen in dem 
Streben nach künstlerischer Wahrheit, wenn das Vermögen dazu auch 
noch gering gewesen war. Er erstrebte die Wahrheit, indem er sich 
einerseits buchstäblich streng an den biblischen Text oder an die Erzäh- 
lung der Legende anschloss, andererseits den Vorgang so darstellen 
wollte, wie er in Wirklichkeit hätte vorgehen können. In dieser Be- 
ziehung vermochte er freilich den Umständen, der Umgebung, der costüm- 
lichen Treue wenig gerecht zu werden, da es ja keine Wissenschaft von 
diesen Dingen der Vergangenheit gab, dafür aber verstand er den Vor- 
gang selber mit seiner Handlung und seinen Motiven höchst deutlich 
und glaubwürdig vorzustellen. Und er bediente sich dabei nicht mehr 
Personen, als nöthig waren; er reducirte die Erzählung auf ihre ein- 
fachste künstlerische Gestalt. Auch fehlte es ihm nichr an dem Vermögen, 
die innere Stimmung, Gefühle und Affecte zur äußeren Erscheinung zu 
bringen, wie z. B. bei einer Predigt des heiligen Franciscus vor dem 
Papste Honorius die Aufmerksamkeit der Zuhörer in bewundernswürdiger 
Weise zum Ausdruck gelangt; man blickt tief in Geist und Herz der 
andächtigen Hörer hineinu 
Mit dieser seiner Kunst wie mit seiner Lebenszeit (1266-1336) ging 
nun Giotto der Blüthezeit des Franziskaner-Ordens völlig parallel. Un- 
mittelbar darnach sank das Feuer, der Enthusiasmus der Franziskaner 
und sank die Kunst wieder von der Höhe herab, auf welche der Meister 
sie geführt hatte. Keiner seiner Schüler kam ihm gleich, keiner beherrschte 
wie er das ganze Gebiet: sie theilten sich gewissermaßen in die Arbeit. 
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