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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1888 / 3)

Aber nicht diese Eigenschaften sind es, worauf der wahre Werth 
dieser Kirchenmalerei beruht, sondern ihre decorative Gesammtwirkung. 
Selbst die Bilder sind decorativ gehalten insofern, als die Figuren nur 
in illuminirten Contouren mit sehr wenig lnnenzeichnung oder Model- 
lirung bestehen. Es ist aber in der Regel, wo Mittel und Kräfte irgend 
vorhanden waren, die ganze Kirche ausgemalt, die Flächen wie die Ar- 
chitekturtheile. Die Flächen, wo sie nicht mit figürlichen Bildern bedeckt 
sind, haben ein Teppichmuster erhalten, ähnlich den Seidenstolfen, welche 
aus dem Orient gekommen waren und dann in Europa nachgeahmt 
wurden, regelmäßige, wiederkehrende, stilisirte Muster nach meist pflanz- 
lichen Motiven. Desgleichen waren Säulen und ihre Dienste, Capitäle, die 
Rippen der Gewölbe u. s. w. mit bunten Farben bedeckt, das Gewölbe 
mit Vorliebe als tiefblauer Himmel mit goldenen Sternen gehalten. S0 
war das ganze lnnere farbig in sehr lebhafter, doch harmonischer, mit- 
unter höchst reizvoller Haltung. 
Diese Art der Decoration nahm zu, je mehr die Gothik im Laufe 
des vierzehnten Jahrhunderts ihren späteren Charakter ausbildete, je 
mehr sie die Flächen aufhob, die Architektur in schmale Streben ver- 
wandelte, die Pfeiler in Säulenbündel umgestaltete, das Gewölbe mittelst 
eines künstlichen Rippensystems dem Palmbaume gleich in eine Fülle 
kleiner Flächen zerlegte. Damit fand der eigentliche Bilderschmuck keinen 
Platz mehr auf der Wand und wurde nun von den Fenstern aufgenommen, 
welche die gleiche architektonische Richtung vergrößert und verbreitert 
hatte. Sie waren es, welche zwischen den Pfeilern an die Stelle der 
Wandßächen getreten waren. 
In dieser Weise hatte sich nun eine eigenthümliche, der Gothik 
insbesondere angehörige Art der Decoration in der Kirche herausgebildet 
und vollendet, eine Decoration, die für uns heute von großer Wichtigkeit 
geworden ist. Sie stellte sich mit ihrem vorwiegend ornamentalen Cha- 
rakter dem bildlichen und figürlichen der ltaliener gegenüber, der damals 
gleichzeitig in der alten Horentinischen und sienesischen Schttle jene 
Richtung einschlug, welche die Kunst auf ihre höchste Höhe führen sollte. 
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Es ist eine merkwürdige Thatsache der Culturgeschichte, dass der 
Anstoß zur Hebung der modernen Kunst und gerade zu jener Richtung, 
welche trachtet Dinge und Menschen mit der vollen Wahrheit des Lebens 
darzustellen, dass diese scheinbar unkirchliche Richtung gerade von der 
Kirche ausgegangen ist. 
Wir haben gesehen, wie das früheste Mittelalter für die Decoration 
der Kirche eine Kunsttechnik geschaffen hatte, welche Allem, was man 
von Ort, Gegenstand und Absicht verlangen konnte, an künstlerischer 
Wirkung genügte und entsprach. Die Glasmosaik, eine Kunst großen 
Stils und großer Raunientfaltung. gab der Kirche Glanz und Würde und 
war völlig die Kunst, die Herzen zu erheben und die Andacht zu fördern.
	        
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