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Der lnhalt der Felder und die Art der Behandlung im Hochrelief
war gleich im ersten Contracte, dem später in längeren Zeiträumen neue
Stipulationen folgten, festgestellt wurden , und Luca della Robbia hielt
sich in der Ausführung fast ganz an das Programm. In zehn quadra-
tischen Bildflächen sind oben Maria mit dem Kinde und Christus auf
seinem Grabe zwischen Engeln, darunter die vier Evangelisten und noch
weiter unten die vier Kirchenväter dargestellt, sämmtlich sitzend zwischen
zwei jugendlichen Engeln; in jeder Ecke der Bildrahmen befinden sich
statt der Knöpfe oder Rosetten kleine zierliche Brustbilder, ähnlich den
aus Medaillons herausragenden Köpfen an den Rändern der Thürflügel
GhibertYs am Hauptportal des Baptisteriums. Die Thür unseres Meisters
hat ebensoviel Felder, wie jene hochberühmte des großen Lorenzo
Ghiberti; aber welche Fülle plastischen Lebens, welche wechselnde Mannig-
faltigkeit von Historien auf perspectivisch vertieftem Schauplatz umfassen
dort die einzelnen Bildrahmen, während die acht sitzenden Gestalten
an der Sacristeithür unseres Meisters in ihrer absoluten Situationslosig-
keit doch den Eindruck einer gewissen Monotomie machen. Vielleicht
hat Donatello nur deshalb nicht Wort gehalten, weil der Auftrag und
das Thema ihn langweilte. Der gewissenhafte Meister Luca machte, was
man von ihm verlangte; er rückte dadurch unwillkürlich an die ältere
Kunstweise heran und näherte sich in der Auffassung den Evangelisten
und Kirchenvätern in den zwei unteren Reihen der früheren Erzthlir
GhibertPs, ja noch mehr den acht thronenden Tugenden auf der Johannes-
thür Andrea Pisands. Aber was dort nur ein Anhang, ein Supplement
ist, wurde bei der Thür Luca's Hauptsache. So sah er sich denn nur
auf den einfachen Gegensatz von Würde und heiliger Gravität in den
sitzenden Gestalten, von Anmuth und Lieblicbkeit in den Engeln gewiesen,
und diese sind denn auch völlig von dem echten holdseligen Engels-
thüre weder gelöthet noch gereinigt und nachgeputzt waren. Da Maso di Bartolommeo, der
wahrscheinlich nur als technischer Hilfsarbeiter mitthat, inzwischen gestorben war, wurde
seinem Bruder, dem Giovanni di Bartolommeo, die Ciselirung der Umrahmungen der
Reliefs von Meister Luca übergeben. Wie viele waren bis dahin fertig? Sicherlich nicht
alle! Sonst hatte in dem letzten Contracte, welchen die Dombauverwaltung mit ihm am
lo. August 1465 abschloss, nicht noch ausdrücklich die Forderung gestellt werden
können: ua fare conpiere et storiare dette porte et ongni altra et qualunque cosa
come nella prima alloghagiune si contiene....a Es standen also damals noch gewisse
nHistorienn oder Figurendarstellungen aus, die im Sinne der ersten Vereinbarung von
1446 auszuführen waren. Wir können daher unmöglich annehmen, dass die im Wesent-
lichen fertigen Thürflügel etwa wegen noch ruckstandiger technischer Nacharbeiten so
unbegreiflich lange in der Werkstatt des Meisters liegen geblieben wären. Diesem wider-
spricht auch die festgestellte Thatsache, dass im November 1474 an Andrea Verncchio
eine bestimmte Summe ausgezahlt wurde, weil er das nüthige Brunzematerial für den
Guss der zwei letzten Felder der Thüre geliefert hatte. nAndrea del Verocchio dee avere
per metallo prestato a Luca e a Michelozzo per gettare le due ultime storie
dclla porta de la sagrestia, fior.....- (Cavallucci, Santa Maria del Fiore, z. Abth.
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