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glücklich dazu bei, der in der Wirkung der Bodenformen und der Vege-
tation etwas zu dünn angelegten Landschaft mehr Fülle und Kräftigkeit
zu verleihen. Reizvoll sind besonders gewisse Stalfagen. Da wäre ein
nackter Fischer, der am steilen Felsrand des Ufers sitzt, mit ganz michel-
angeleskem Motiv, ein Bein scharf zurückgezogen, das andere frei vor-
gestreckt; dann anziehende Frauengruppen im Mittelgrund, mit Wäsche
und ähnlicher Verrichtung beschäftigt. Und im Vordergrund, wo gute
Weide zu stehen scheint, die trefflichsten Thierstücke, deren eines schon
oben erwähnt wurde.
Nun aber drängt sich unabweisbar die Frage nach der Gesammt-
composition der so reich decorirten Tonnenwölbungen auf. Wie
hingen diese wundervollen Reliefs zusammen, die gleich den Scherben
eines Prachtgefäßes vor uns daliegen? Ein Fachwerk von kräftig-breiten
Rahmen mit zarten Eierstabrändern zog sich gliedernd hindurch; aber
von welcher Art_war die Rhythmik und Abstufung dieser Felderein-
theilung, die jedenfalls auch mit einer gewissen decorativen Freiheit der
Abwechslung durchgeführt war, im Unterschied von den architektonisch-
schematisirten Felderdecken der Renaissance. . . Ad. Ginzel hat sich mit
dieser Frage immer neu versuchend beschäftigt, und ist so stufenweise
zu folgender Lösung gelangt, in welcher sich ein fein errathender, künst-
lerischer Scharfblick kundgibt. Er brachte heraus, dass in der Mitte - in
kreuzartigen Umrahmungen - ein entscheidendes, decoratives Binde-
rnotiv verdoppelt auftritt. und dies war, für ihn der Schlüssel für die
Anreihung der übrigen, größeren und kleineren Bildtafeln. Der ligurale
Inhalt jener kreuzähnlichen Felder ist folgender: Zwei geflügelte Mädchen,
den Weiheguß spendend, stellen sich gegenüber; die zartgliederigen, an
die Hebe oder lris rnahnenden Gestalten schweben mit den Fußspitzen
über zartem Blüthenrand; aus ihrem Haupte sprießt ein Pflanzenstengel
bis zum Theilungsbalken. Zwischen den schlanken Jungfrauen wächst
von unten auf über einem Gestell mit Kinderköpfchen ein wundersamer
Candelaber empor, der ganz in eine phantastische Pflanzenbildung um-
gewandelt erscheint, mit blumenartigen Zwischenschalen, nach oben zu
einem Halm sich zuspitzend; die Rahmenbalken weichen dort auseinander,
und zwei Fabelpanther sitzen obenauf, mit erhobenen Vorderpranken.
Sehr interessant ist hier und auch anderswo die Abstufung des Reliefs:
die geflügelten Mädchen haben ziemlich volle Bildung, der Mittelcandelaber
ein leiseres Relief, die Panther sind nur schwach erhoben hingezeichnet
und ihre metallisch scharfen Flügel blos leichthin in die Fläche geritzt.
Ginzel hat dieses Mittelfeld in Gyps hergestellt, und von da aus-
gehend, die Composition einer der beiden Tonnendecoralionen sinnreich
reconstruirt. Ganz zwanglos fügen sich nun oben und unten, und ebenso
seitlich an den kreuzartig ausgreifenden Rahmen die größeren bildlichen
Darstellungen an, die mythologischen Bilder und die landschaftlichen
Scenerien", in den kleineren Zwischenfeldern, die übrig bleiben, finden