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Wenn je eine Industrie nicht durch sich selbst, sondern durch künst-
liche Erziehung auf ihren entwickelten Stand gehoben worden, so ist es
die französische. Durch drei Jahrhunderte hat der Staat und immer der
Staat für die Entfaltung und Ausbreitung der künstlerischen und gewerb-
lichen Leistungsfähigkeit der Nation die grössten Opfer an materiellen
Mitteln und organisatorischer Arbeit gebracht. So zehrt in Frankreich die
Gegenwart vom Capital früherer Ansammlungen. Und eben darum, weil
den Nachgeborenen im Auslande die Anstrengungen der französischen Ge-
werbepolitiker und Staatspädagogen der Vorzeit nicht mehr vor Augen
stehen, erscheint ihnen der gegenwärtige Vorrang der französischen Pro-
duction wie aus der Pistole geschossen.
Warum, meinten die Wortführer der Action in Preussen, sollte bei
uns der Wirksamkeit des Staates nicht möglich werden, was consequenter
Arbeit in Frankreich gelungen ist; in solchem Masse gelungen ist, dass
Alles heute wie natürlich gewachsen erscheint? Welche Nation war es
denn, die vor drei und vier Jahrhunderten im kunstindustriellen Können
den Italienern zunächst stand? Man lese die Schilderungen eines Aeneas
Sylvius und Machiavelli über Deutschland, um die hohe Achtung der Ita-
liener für die deutsche Production zu erkennen. Und selbst ein Vertreter
derjenigen Nation, welche jetzt die Führung in Händen hat, der Franzose
Jean Bodin, rühmte im sechzehnten Jahrhundert den Deutschen nach, sie
verfertigten alle Gattungen von Hauseinrichtungsgegenständen und Werk-
zeugen so künstlich und fein, dass die anderen Völker sie nur bewundern,
nicht aber ihnen nachahmen könnten. Endlich zeigen auch die neuesten
Bestrebungen der Deutschen in Oesterreich, in Baiern, in Württemberg, ia
in einigen Gegenden von Preussen selbst, wie am Rhein, dass es dem
deutschen Boden in dieser Hinsicht an Fruchtbarkeit nicht fehlt - wenn
man ihn eben cultivirt. Was einmal war, kann wiederkommen. Was an-
derwärts heute gelingt, können auch wir. Aber wollen muss man es. S0
sprechen seit Jahren preussische Reformer.
Diese Wortführer einer Action sind nun in Preussen durchgedrungen.
Nach gründlichen Erörterungen in der Literatur und auf den Redner-
bühnen ist der Staat in die Handlung eingetreten.
Man ist es von der preussischen Verwaltung gewohnt, dass sie eine
Arbeit, zu der einmal der Wille gefasst ist, auch mit allem Ernste, in
allen Consequenzen und in grossem Style durchführt. Dass dies auch
hier der Fall sein wird, ist nach bisher vorliegenden Daten nicht zu be-
zweifeln, und man wird im Auslande, und speciell in Oesterreich, gut
daran thun, bei Zeiten diesen Vorgängen Aufmerksamkeit zu schenken
und für die eigene, bisher da und dort so unsichere Haltung Lehren
daraus zu ziehen.
Der Geist, in dem die Action unternommen ist, schliesst die klein-
lichen bureaukratischen Rücksichten aus. Nachdem die Frage einmal als