X Die gegenwärtigen Aufgaben der Verwaltung des artistischen Bildungswesens.
Organisatoren , die im deutschen Süden den Einflüssen moderner französischer
Industrie, im Norden den Nachwirkungen einer einseitig classischen Schule sich nicht
immer zu entziehen vermochten. Während den Einen die zu South- K ensington
und in Wien begonnenen, doch auf so practisehe Ziele gerichteten Strebungen in
dem falschen Lichte archäologischer, den Zeitforderungen abgewandter Liebhabereien
erschienen, meinten die Anderen in pnristischer Beschränkung auf den Formenscbatz
der Antike den künstlerischen Bedürfnissen der industriellen Gegenwart zu genügen
und blieben die Meisten, wie Ideologen pflegen, des Beweisens mehr denn des
Bewirkens beilissen.
Solche sterile Lehrmeinungen verloren aber, indem sie durch das Leben selbst
widerlegt wurden, von Jahr zu Jahr an Kraft und in dem Masse als ihr Einfluss
sank, zeigten sich beschleunigte, reelle Fortschritte der Refnrmarheit. Heute ist das
Culturwerk, das sich ja gleichmassig aus theoretischen, -wie aus practischen
Prämissen entwickeln muss. wol in seiner Zukunft gesichert. Denn man scheint
über die Hauptfragen ins Klare gelangt; ein Erfolg, der wol die Annahme recht-
fertigt, man werde auch in solchen Fragen, in denen jetzt noch Irrthum oder
Ungewissheit herrscht, durch fremde wie eigene Erfahrung bald auf die rechte
Fährte kommen.
So waltet auf Ausstellungen wie an Museen und Ünterrichtsanstalten Deutsch-
lands bereits allgemeiner als noch vor Kurzem der Gesichtspunct vor, dass die
moderne Kuustarbeit bei der Vergangenheit in die Schule gehen müsse. Man
sträubt sich nicht mehr dagegen, dass sie ihre Vorbilder für bestimmte Gattungen
von Gegenständen jedesmal den Leistungen jener Zeiten oder Völker entnehme,
denen es speciell bei solchen Gegenständen gelungen, Zweck und Form in volle
Übereinstimmung zu bringen. Dabei empündet man es als Naehtheil, dass innerhalb
Deutschlands Gesellschaft nicht mehr alte, ununterbrochene Kunsttraditionen leben,
wie bei den hierin so viel glüeklicheren Franzosen. Der hieraus erwachsenden
Schwierigkeiten ist man in Fachkreisen sich wol bewusst. Es darf als Beweis solcher
Erkenntniss gelten, dass man sich bestrebt, an die Epochen des ausgezeichneten
Kunstgewerbelleisses der eigenen Vorfahren anzuknüpfen und insbesondere die:
Überlieferungen deutscher Renaissance zu wecken. In solchem Sinne trachtet man,
auf die Industrie ebensowol wie auf das Publicum zu wirken , und von der
Stärke dieser Bewegung gibt ausser der Gründung von M usee n zu Berlin.
Dresden, Leipzig, Hamburg, Stuttgart, Karlsruhe, Nürnberg.
München u. a. a. O. auch die Veranstaltung der grossen, reichbeschicklen
Ausstellungen von Meisterleistungen Zeugniss, die 1875 zu Dresden und
Frankfurt und 1876 zu München und Köln zalreiche Besucher von Nah und
Fern versammelten. Endlich wird auch den Sch ulen erhöhte Aufmerksamkeit
zugewendet, ihre Zahl vermehrt, ihr Umfang erweitert, ihre Organisation verbessert.
Und auch in diesem wichtigen Pnncte versteht man neuestens aus fremden
Erfahrungen manchen Vortheil zu ziehen, wie das Beispiel Berlins und Dresdens
darthut, wo die Kunstgewerbescbulen mit den Museen in directe, organische
Verbindung gebracht wurden.