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jetzigen Verhältnissen allein noch im Stande, einen gewerblichen
Mittelstand (Handwerkerstand) zu schaffen und zugarantiremx Dass rnan
in diesem Satze nach der bescheidenen Aeußerung des Verfassers xnur eine mehr als
kühne Behauptung: Enden wird, ist nicht leicht anzunehmen; die Beweise dafür sind
Wohl zu schlagend. Wohl wird aber eine solche Auffassung ahfalligen Sinnes von einer
mächtigen Partei mit Eifer verfochten werden - der Partei jener Kunstindustriellen,
deren principieller Gegensatz zu den Kunstgewerbetreibenden sich der Allgemein-
heit noch so wenig in seiner ganzen Schroßheit zeigt, dass gegenwärtig sogar noch
scheinbar ein Zusammengehen beider der genannten Fractionen nicht nur für möglich,
sondern sogar für ganz selbstverständlich gehalten wird. Dennoch ist hier der Eintritt
eines Schisma's nur eine Frage der Zeit.
Eine Präcisirung der ausschlaggebenden Verhältnisse kurz und klar gegeben" zu
haben, gereicht dem Verfasser zu besonderem Verdienste; ebenso wie die mit schnei-
diger Prägnanz durchgeführte Schilderung der Zustände, welche die Classe der Kunst-
gewerbetreibenden durch den in vollem Gange befindlichen Aufsaugeprocess in der
Kunstindustrie aufgehen lassen. Sollten die eindringlichen Worte dieser Schilderung
nicht doch so Manchem klar machen, dass sein vorgebliches wStrebem in gewisser
Richtung ein freiwilliges Verzichten auf Eigenberechtigung und Selbständigkeit, eine
Entäußerung der Kraft und sogar des Willens bedeutet?
Zwei der wichtigsten ästhetischen Forderungen sind es hauptsächlich, auf welche
der Verfasser hinweist, als auf jene, welche, immer allgemeiner zur Geltung kommend,
durch ihren durchgreifenden Einfluss das Kunsthandwerk zu neuer Blüthe zu bringen
geeignet erscheinen. i. Die individuelle Ausgestaltung jedes einzelnen
Gegenstandes hinsichtlich der freien Wiedergabe der ldee seines gegebenen Zweckes
und seiner innerhalb dieser Grenze geschaffenen schönen Form; weiters auch mit Rück-
sicht auf die Person des Besitzers. z. Die Echtheit in Material und Technik. Dass die
erstere dieser Haupthedingungen von der Kunstindustrie niemals berücksichtigt werden
kann, ist selbstverständlich. Die kunstindustrielle Masscnproduction überschwemmt seit
Jahren nur einzig und allein mit ihren bis zum Ueberdrusse langweilig congruentcn
Allerweltstypen den Markt, und sie hätte schon lange an ihrem eigenen Gifte zu Grunde
gehen müssen. wären es nicht die falschen Reize einer witzelnden Pikanterie und prunk-
heuchelnden Ueberladenheit, welche den zum Glücke nicht allzu dauerhaften Erzeugnissen
zu einer, wenn auch nur rasch vorübergehenden Anziehungskraft verhelfen. Dass solchen
Erzeugnissen gegenüber die vEigenthümlichkeit des Menschen, zu den Gegenständen
seines persönlichen Gehrauches eine gemüthliche Beziehung, eine gewisse Liebe zu
gewinnens nicht zur Geltung kommen kann, bedarf keines Beweises.
Für Niemanden, nur für Jedermann erzeugt, werden solche vKunstgegenständet
sich ebensowenig als Theile einem harmonischen Ganzen anfügen, als sie von vorneherein
dem Grundsatze entsprechen, welchen der Verfasser also formulirt: xleder kunst-
gewerbliche Gegenstand, der den Zweck hat, von seinem Besitzer in
persönlichen Gebrauch genommen zu werden, muss mit dem persön-
lichen und gesellschaftlichen Charakter dieses lndividuums in Har-
monie stehen.c
Mit der Forderung der Echtheit in Technik und Material, dem Ausschlusse der
plmitationenc aus dem Gebiete des Kunstgewerbes sollen von diesem verwerfliche Ten-
denzen ferne gehalten werden, welche nur der vlndustriec zum Heile gereichen können.
Diese Forderung in negativer Fassung: xEin kunstgewerblicher Gegenstand darf keine
edlere Technik und kein edleres Material nachahmenx dürfte freilich noch einer weiteren
Ergänzung fähig sein; wir haben es ja schon oft genug erlebt, dass zur Bequemlichkeit
der industriellen Production edleres Material den Anschein des Geringen annehmen
musste; dass also hier das Princip der Imitation auch im umgekehrten Sinne zur An-
wendung kam. Für den Erfahrenen bedürfen solche Missstände keiner näheren Erklärung.
Dem Einllusse der Scheinpracht und des falschen, erlogenen Reichthumes der
Industrieerzeugnisse ist wohl auch ein Theil der Schuld beizumessen, durch welche das
vom Verfasser im zweiten Theile (xVorschläge-l mit Recht getadelte Uebermaß des
Pompes, welches leider an manchen Orten heute noch zu Tage tritt, hervorgerufen .
wurde. Aufklärung thut hier noth. Der Verfasser erhofft sie von der Thätigkeit der
ößentlichen Lehranstalten, der Museen und Bibliotheken, der Thätigkeit der Schrift-
steller. Auf die möglichst liberale Einrichtung der Bildungsinstitute, auf deren
leichte Zugänglichkeit und Benutzbarkeit wird in den vorgeschlagenen Grundzügen der
Reform das größte Gewicht gelegt. An mehr als einer Stelle zollt in dieser Beziehung
der Verfasser sein volles Lob dem Oesterr. Museum, so wie er den rOesterreichischen
Meistern in Literatur und Kunstgewerbec warme Anerkennung zu Theil werden lässt.
Aug, des Dügggldgrfgp lnsmuus des xCentral-Gewerbevereines für Rheinland, West-
phalen und benachbarte Bezirke: gedenkt er und schildert eingehend dessen Wirken.