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Von diesem Fehler einer plumpen und formlosen Häufung erscheint
der französische Brillantschmuck, der überaus reich vertreten ist, auf der
gegenwärtigen Ausstellung wie völlig befreit. Natürliche Formen sind
nicht ausgeschlossen, aber sie sind oEener, feiner, der Besonderheit
des Materials angemessener gezeichnet, so dass wir nicht blos Steine,
sondern einen wirklichen Schmuck sehen. Es ist ein künstlerisches Ver-
ständniss wieder eingekehrt und hat sich dem Juwelierverständniss zu-
gesellt. Neben diesen natürlichen Formen der Diademe, der Gehänge und
Colliers, des Brust- und Schulterschmucks sieht man ebenso in kaum
minderer Zahl stilvoll gezeichnete Gegenstände, welche früher so gut wie
ausgeschlossen waren. Und zum dritten ist auch jener zierliche Schmuck
der Renaissance aufgenommen worden, welcher in meist durchbrochener
Zeichnung Gold und Email, Perlen und Steine, Ornamente und Figuren
zu reizenden Gebilden mit einander vereinigt. Diese Arbeiten, mit welchen
die Juwelierkunst zur Goldschmiedekunst zurückkehrt, sieht man nicht
mehr in vereinzelten Beispielen, sondern bereits häufig, dass sie wie ein
neu gewonnenes Genre erscheinen. Bewundernswürdige Gegenstände
dieser Art hat insbesondere das Haus Bapst 8c Falize zur Ausstellung
gebracht. Dieses Haus zeigt noch eine andere reizende Neuerung, indem
es das translucide Email des späteren Mittelalters von seinem gravirten
oder geschnittenen Silbergrund auf eine gleicherweise behandelte Gold-
platte übertragen und damit ebensowohl Schmuckgegenstände wie kleine
Bilder und Heiligthtimer hergestellt hatte. Die Wirkung war eine äußerst
glückliche, harmonisch und farbig, heiter wie goldiger Sonnenschein.
Solcher Neuerungen können sich die in langer Flucht ausgestellten
Silberarbeiten Frankreichs, unter denen wie gewöhnlich nach Zahl, Reich-
thum und Mannigfaltigkeit die Ausstellung von Christofle vorragt, nicht
rühmen. Die Anklänge an Japan, die Benutzung japanischer Motive und
Technik, deren ich schon gedacht habe, sind nicht neu. Wie immer bei
der Mannigfaltigkeit französischer Arbeiten finden sich Silbergegenstände
mit getriebenem Figurenschmuck im Stil der Renaissance, jedoch minder
zahlreich (besonders an TrinkgefäBen), als sie etwa bei uns oder auf einer
deutschen Ausstellung zu sehen wären. Auch antike Gefäße sind nach-
gebildet. Einzelne große Tafelaufsätze stehen mit Vasen, Schalen und
figürlichen Gruppen unmittelbar auf blank polirter Platte, schon ein ver-
alteter Standpunkt. Die Menge der Gegenstände aber, insbesondere alle
jene, welche dem Gebrauche dienen, Candelaber, Leuchter, Speisegeräth,
Kalfee- und Theegeschirr, Blumengefäße, Schreibtisch- und Toiletten-
geräth - das alles bewegt sich mit mehr oder weniger Glück oder Ori-
ginalität in dem Formenkreise des achtzehnten Jahrhunderts, und es ist
dabei nur zu bemerken, dass die Rococoformen gegen früher im Vor-
sehreiten begriffen sind. Kein Aussteller, der nicht Beispiele von ihnen,
und oft sehr bedeutende, zu zeigen hätte.