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Volltext: Alte und Moderne Kunst I (1956 / Heft 4)

sich dicht und scheinbar ununterbrochen gegen Norden hin- 
ziehen, ein Schloß, ein kleines juwel österreichischer Architek- 
tur verborgen liegt. Erst wenn er einer abzweigendcn Wald- 
straße folgt, sieht er sich nach einiger Zeit an ein Tor heran-l 
geführt, durch das die Straße in den Wald hincinläuft. Die 
schlichten Torpfeilcr tragen jeder die steinerne Gestalt eines 
niedergetanen Hirsches; das stolz erhobene Haupt mit dem weit- 
ausgreifenden Geweih ist aufmerksam lauschend dem Ankömrn- 
ling zugewandt. Dieses Tor und ein neben der Straße stehen- 
des einfaches Heger- oder Pförtnerhaus kündigen an, daß der 
Weg nicht in die freie Wildbahn, sondern auf privaten Grund- 
besitz weiterführt. Aber noch zieht sich die Straße ein gutes 
Stück durch den Forst, den alten Tiergarten, ehe man nach 
geraumer Zeit die weißen Mauern des Schlosses zwischen den 
Baumstämmen erkennen kann. Ganz unvermittelt treten dann 
die Baume in einem sanften Halbkreis auseinander und auf einer 
großen Wiese liegt hell und freundlich das Schloß. 
Diese Zurückgezogenheit, dieser Wunsch sich inmitten der Wäl- 
der niederzulassen und zwischen seiner Behausung und der übri- 
gen Welt einen breiten, schützenden Gürtel unberührter Natur 
zu wissen, entsprach dem schwarmerischen Verlangen nach Na- 
turverbundenheit, das einen Wesenszug jener Zeit des aus- 
gehenden 18. jh. ausmachte. 
Ganz anders verhielt es sich mit den Schlössern der voran- 
gegangenen Epoche des Barock. Weiterhin sichtbar angelegt, 
zogen sie alle Aufmerksamkeit auf sich. Damals wurden un-t 
serer heimatlichen Kulturlandschaft die meisten der noch heute 
maßgebenden architektonischen Akzente verliehen. Dabei ist zu 
berücksichtigen, daß die „schöne" Lage oder die „schöne" Aus- 
sicht für die Wahl des Bauplatzes von geringer Bedeutung waren. 
Viel realere Bindungen verknüpften Herrensitz und Land. In 
jener Epoche waren die Schlösser in erster Linie Demonstra- 
tionen des Macht- und Standesbewußtseins. Sie wurden als Sitz 
des Grundherm auf seinem Herrschaftsgebiet errichtet. Mit 
kraftvoller, selbstsicherer Gebärde sind diese Bauten in die Land- 
schaft gestellt, um das beherrschte Land und Eigentum zu über- 
blicken und um den Untertanen glanzvoll vor Augen zu sein. 
Das gilt in gleicher Weise für den Sommersitz wie für das Jagd- 
sehloß. ja, dieses war in besonderem Maße ein Ausdruck iener 
Rechte und Privilegien, welche den Landständen vom Landes- 
herrn zugestanden worden waren. Denn das jagdrecht, als 
Regal ein dem Landcshcrrn vorbehaltenes nutzbares Hoheits- 
recht, wurde von diesem bloß an die Grundherrn übertragen. - 
Daß die barocken Schloßbauten sich in heherrschender und in 
unscrcm heutigen Sinne „sehöner" Lage befinden, ist somit nur 
cin akzidentelles Attribut. 
Als Kztrlslust erbaut wurde, hatten sich die Dinge grundlegend 
geändert. Das Zeitalter des Barock war vorüber. Abgelöst und 
„überwundcn" vom Rationalismus, dessen hauptsäehlichste For- 
derung nach vernunftbetontcr Natürlichkeit sich auf allen Le- 
bensgebieten durchsetzte. 
Das charakteristische Kunst- und Kulturphänomen dieser Epo- 
chc ist der Landschaftsgarten, der in England aufgekommen war 
und seit 1760 in ganz Europa Schule machte. Die Begeisterung, 
womit man auf diese neue Mode einging und die alten, fran- 
zösischen Gärten umgestaltete, zeigt, wie sehr dieses Zeitpro- 
dukt der kulturellen Situation entsprach und den in ihr wirk- 
samen Wünschen entgegcnkam. Der Park war nun nicht mehr 
cin streng nach architektonischen Grundsätzen angelegtes Kunst- 
werk, das der Mensch aus der Landschaft ausgeklammert und 
herausgezirkelt hatte. Nun umgab eine scheinbar paradiesisch 
unberührte, elysisch idealisierte Natur und Landschaft das Haus. 
In Karlslust ging der Bauherr allerdings noch einen wesentlichen 
Schritt weiter. Das jagdschloß liegt in einem wildreichen Revier 
und wird auf allen Seiten von Wald umgeben. Diese Situation 
erscheint uns heute selbstverständlich, war aber damals keines- 
wegs die übliehe. Die berühmten jagdschlösser der Barockzeit. 
z. B. Fischer von Erlachs Niederweiden (Engelhartstetten), um 
1693, und Hildebrandts Schloßhof, um 1725-1729, waren stets 
von Parks nach französischer Art umgeben. Die Natur drang 
nicht so nahe bis an das Schloß heran, wie es in Karlslust der 
Fall ist. Hier wurde nun das herrschaftliche Schloß erstmals 
mitten in die „Wildnis" der unberührten Natur gestellt, die 
früher in respekvoller Distanz gehalten wurde. 
Auch der vielgerühmten und immer wieder betonten „Ver- 
edlung und Vereinfachung des Geschmacks", wurde bei diesem 
Bau ein sehr vernehmliches und deutliches Wort gesprochen. 
Der ganze Formenreichtum des Barock, lebensstark und fröh- 
Abb. 5. I 
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