DIE KUNSTABTEILUNG DES DOROTHEUMS SEIT 1945
Von HANS HERBST
Wien besitzt im Gegensatz zu anderen Weltstädten nur ein
großes und bedeutendes Auhliansbaux, da: Dnrotheum. Diese:
staatliche Institut kann auf einen Zälljährigen Bestand zurück-
blicken. Wir bringen im [nlgenden die Ausjübrungvn de: Chef-
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Wien im 18. und 19. Jahrhundert, die Kai stadt des Heiligen
Römischen Reiches, und cinc der „kunstr hsten" Städte der
Welt, erlebte schon um 1900 den Anfang der Verminderung sei-
nes privaten Kunstbesitzes,als 20jahre vor dem Zerbrechen der
Donaumonarchie die ersten aristokratischen Familien damit be-
gannen, die kostbarsten Stücke ihrer (ialerien in das kapital-
stärkere Ausland zu verkaufen. l)iese Entwicklung fand ihren
monumentalen Abscbluli, als der derzeit regierende Fürst von
Liechtenstein seine Galerie - welche die größte private Ge-
miildcsammlung Europas darstellte - 1944 vor dem herannahen-
den Kriege in Sicherheit und außer Landes brachte, von wo sie
nicht mehr in ihr altes Heim in der Rossatt zurückkehrte, auch
als Östcrrc cb seine Souveränität nach Abschluil des Staatsver-
trages wiedcrfand. Die nach dem ersten Weltkrieg anbrechende-
Notzcit der Inflation schlug vor allem in die Reihen des bürger-
lichen, in Wien so erheblichen Kunstbcsir -s nicht wieder zu
schließende Breschcn. ln der Zwischenkr -gszeit bildete sich
allerdings wieder eine sehr wesentliche Schicht neuer Sammler,
welche aber nahezu ausschließlich aus den Kreisen der (Te-
schiiftswelt stammten. (ierade aus diesem Grunde bedeutete Hit-
lers Mitchtübcrnzthme in Österreich geradezu einen katastropha-
lcn Vcrnichtungsscblag ftir den privaten Kunstbesitz in Wien,
denn mit den Sammlern wurde zugleich auch die überwiegende
Mehrzahl der namhaften Wiener Kunsthiindlcr aus politischen
und rassischen Gründen vertrieben. Durch die politische Um-
wälzung waren 954m der Sammlcrwelt mit einem Male untragbar
geworden und als nun der gesamte jüdische Kunstbcsitz auf
Grund einer Rcichsvcrordnung nach dem Münchener Attentat
liquidiert wurde, war das [Überangebot am Wiener Kunstmarkt
derart groß, daß die deutschen Händler, welche in jener Zeit
am Wiener Warkt als Käufer dominierten, hier nach der jahre-
langen Abschnürung vom Ausland unbeschränkte liinkztufsmög-
lichkeiten fanden.
Nach dem linde des zweiten Weltkrieges beherrschte Not und
das Bemühen um die Sicherung der primitivsten Lcbcnsnotdurft
erneut die Reste des nach dem neuerlichen Umbruch noch ver-
bliebenen Kunstmarktes. Sobald aber die ersten Umrisse einer
Konsolidierung der allgemeinen Lcbensverhaltnisse sich abzu-
zeiehnen begannen, mulltc es jedem verantworttingsbewußten, an
einem österreichischen Kunstbesitz interessierten Nlitglied des
heimischen Kunsthandels klar sein, dall es nicht genügte, einfach
wie bisher fortzufahren mit der täglichen Arbeit des Kaufes und
Verkaufes, sondern - sollte nicht jedes wirklich bedeutende Ob-
jekt, das auf den Nizirkt kam, sofort nach dem Ausland abwan-
dcrn -, dann mußten crst wieder neue Sammler gewonnen und
erzogen werden, die durch ihr Interesse und ihre Kaufbereit-
schaft die einzig wirksame (iewähr für die Erhaltung des hcimi-
schen Kunstbcsitzes bieten.
An dieser Stelle setzte itber die eigentliche Aufgabe der Kunst-
abtcilung des Dorotheums ein, die als einziges in Österreich noch
verblicbenes Kunstversteigerungsin titut ihr ganzes Bemühen
darin sieht, im Interesse des österi iehischen Kunstbesitzes zur
Hebung des Wiener Kunstmarktes beizutragen durch eine dau-
ernde Steigerung der Qualititt des Angebotes an (icmiilden und
Antiquitäten in den seit 1948 alljährlich stattfindenden vier gro-
jan Steen (Leiden 1626-1679), Esther vor Ahasvcr.
Ol auf Leinwand, 83 : 100 cm.
Noöl-Nicoles Coypcl (Paris 1690-1734).
Venus und ihre Gcspielcn. Ol auf Leinwand,
81 X 65 cm.
Vlämiscbc Wappcnttipisscrie,
245X 240 cm, um 1650.
Alle Bilder kommen in der 537. Kunstuuktiou des Dorotheuml vom
12. bis 14. September zur Versteigerung.
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