DER BILDHAUER LUDWIG SCHMIDLE
Von ALFRED BUTTLAR MOSCON
Dem bildenden Künstler bietet der Kulturraum, dem er ent-
stammt, nicht nur eine Fülle von Anregungen, er wirkt sich vor
allem auf dessen Schaffen insofern bestimmend aus, als durch
Veranlagung und Tradition schon a priori gewisse Voraussetzun-
gen für die Entfaltung künstlerischer Fähigkeiten gegeben sind.
Allerdings muß sich die Persönlichkeit des Künstlers als stark
genug erweisen, um in den Werken seine Eigenart zum Ausdruck
zu bringen und so zu eigener Aussage zu gelangen. Dies ist letz-
ten Endes das Kriterium für das Können und die Bedeutung je-
des schöpferischen Menschen. S0 phantasiereich ein bildender
Künstler auch sein mag, so sollte er doch nicht seine Ideen, Ein-
fälle und Visionen, irgendeinem „Isrnus" huldigend, zusammen-
hanglos zu verwirklichen trachten, sondern sie durch das Me-
dium des Stoffes derart wiedergegeben, daß sie, ohne sich zu sehr
der Darstellung des rein Gegenständlichen, wie etwa bei einem
Lichtbild, zu nähern und ohne ein anerkanntes Meisterwerk zu
variieren. dem Beschauer ein visuelles Erlebnis vermitteln, das
ihm Werte oder Geschehnisse im Bereich des Seelischen und
Geistigen nahebringt.
In diesem Sinne eröffnete sich dem jungen akademischen Bild-
hauer Ludwig Schmidle ein verheißungsvoller Weg. 1929 in der
Schweiz geboren, verbrachte er seine Kindheit in der Heimat sei-
ner Mutter in Vorarlberg. Väterlicherseits entstammt Schmidle
einer italienischen Familie. Aus den Wurzeln dieses Erbes, das
sich ebenso in der für den Südländer charakteristischen Aufge-
schlossenheit für Formenreichtum, Ebenmaß und Harmonie wie
in einem ausgeprägten Empfinden für Flächenwirkung und klare
Linienführung, einem Kennzeichen alpenländischer Schnitzkunst,
in glücklicher Mischung offenbargcrwuchs die Begabung Schmid-
les, der schon in der Mittclschule jede freie Minute zum Zeich-
nen benützt-e. Von 1947 bis 1953 besuchte er als Schüler der
Professoren Fritz Cremer, Hans Knesl und Günther Bascel die
Akademie für angewandte Kunst in Wien. Schon öfter erweckten
Proben seines Schaffens in den Ausstellungen des Künstlerhauses
und des Neuen Hagenbundes lebhaftes Interesse an der Entwick-
lung dieses jungen Bildhauers. Einige seiner Werke wurden vom
Unterrichtsministerium erworben. Stipendien ermöglichten ihm
Reisen nach Italien, nach Paris und nach Schweden. Bezeichnend
für die künstlerische Eigenart Schmidles ist die Vorliebe, die er
nicht: nur für die Werke el Grecos, Donatellos, Verocchios, Ve-
lasquez', Mario Marinis, sondern auch für die Zeichnungen der
Käthe Kollwitz empfindet.
Im Rahmen der Wiener Festwochen bot eine von der Österrei-
chischen Staatsdruckerei in der Wollzeile veranstaltete Ausstel-
lung die willkommene Gelegenheit, eine stattliche Anzahl der
verschiedenartigsten Arbeiten - Porträtbüsten, Vollplastiken,
Reliefs, Zeichnungen und Aquarelle - aus dem Atelier dieses
vielversprechenden jungen Künstlers kennenzulernen. Schmidle
kann auf Grund seiner intuitiven Begabung ebenso auf gewagte
Experimente wie auf billige Effekte verzichten. Er hat sich kei-
ner bestimmten Richtung verschrieben. Sein schöpferisches Ta-
lent befähigt ihn, ein Thema so zu durchdringen und zur Dar-
Stellung zu bringen, daß es weder rnanieriert noch banal wirkt.
Schmidle gehört vielmehr zu jenen Künstlern, die nicht intellek-
tuell belastet, dafür aber von einem im Ideellen wurzelnden Ge-
staltungswillen beseelt sind, der in den Werken ebenso eindring-
lich wie überzeugend die Absicht ihres Schöpfers bekundet. Ihm
ist es nicht so sehr um eine auf Äußerlichkeiten beruhende Ähn-
lichkeit, wie dies aus den Porträtbüsten zu ersehen ist, als viel-
mehr um ein Erfassen des Wesentlichen und Wesenhaften, somit
um innere Wahrhaftigkeit, zu tun. Da Schmidle die Flächen sei-
ner Plastiken nicht glättet, entsteht eine malerische Wirkung,
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Ludwig Schmidlc, Seitenrelief einer Kirchentürc.
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