man sich doch nicht davor gescheut, sie zur Besichtigung
freizugeben; ja, sie haben jährliche Besucherziffern zu
verzeichnen, die die Hunderttausendergrenze oft weit
übersteigen.
Zusammenfassend läßt sich also aus dem Gesagten die
Schlußfolgerung ziehen, daß ein gedeihliches Wachstum
der musealen Sammlungen keineswegs von der Möglich-
keit eines Erweiterungs- oder gar eines Neubaus abhän-
gig gemacht werden darf. Im Gegenteil, darin den ein-
zigen Weg zu sehen, um aus dem Engpaß der Raumnot
herauszukommen, verurteilt zu hoffnungsloser Resigna-
tion; denn es werden bestimmt in absehbarer Zeit nicht
die Mittel zur Verfügung stehen, um derart kostspielige
Bauprojekte zu finanzieren. Wie sollen aber dann die
Museen ihre Sammlungen komplettieren und weiter aus-
bauen, wie sollen die leer und nutzlos stehenden Schlös-
ser vor dem sicheren Verfall behütet werden? Wenn wir
dem berechtigten Vorwurf der Indolenz und der kultu-
rellen Gleichgültigkeit entgehen wollen, - und das in
einer Zeit nie dagewesener Prosperität und Konjunktur
(wie lange noch und was dann. . .?) gibt es nur den ein-
zigen Ausweg, der uns schon so vielfach und erfolgreich
vorgezeigt wird: Die beiden Probleme, - das der Erhal-
tung von Schlössern und Palästen durch eine sinnvollere
und zweckentsprechende Verwendung und das der
Raumnot in den Museen, - miteinander in Beziehung
zu bringen und damit auch einer Lösung zuzuführen.
Man bedenke, welche Sehenswürdigkeit ersten Ranges
es für jeden Kunstfreund bedeuten würde, wenn ein so
schönes Schloß wie Eckartsau, oder ein altes Wiener
Palais, wie z. B. das Palais Trautson mit qualitätsvollen,
musealen Gegenständen interieurmäßig ausgestattet
C2 3
1 Schloß Grcillenstein bei
Horn, Niederösterreich.
2 Schlofl Eekartsau,
Niederösterreich,
Treppenhaus.
3 Schloß Greillenstein bei
Horn, der große Saal.
wären. Doch ist es von vordringlicher Wichtigkeit, zu-
nächst die gesundc Tendenz zur Dezentralisierung zu
unterstützen, um dem ständig anwachsenden Strom der
Touristen, der Wochencndausflügler, die Denkmäler und
Schätze unserer Kultur als lohnende Ziele außerhalb der
Stadt und in ihrer weiteren Umgebung zu bieten. Daß
die Verwirklichung dieser Aufgabe den damit befaßten
Behörden und Instituten ein neuartiges und wirkungs-
volles Instrument der Volkserziehung, der Bildung eines
historischen und kulturhistorischen Verständnis. s,
sowie der so notwendigen Erziehung zur Geschmacks-
und Wohnkultur in die lland gibt. sollte alle, die darum
bemüht sind, zu rückhaltloser Zusammenarbeit ver-
binden. Die Sehlösser wirken wegen ihres Ensemble-
charakters und ihrer Verfloehtenheit mit Landschaft,
Kultur und Geschichte stets lebendig, unmittelbar und
nachhaltig auf den Besucher; oft sogar überzeugender
als Nlttscen. Die große Anziehungskraft, die Schlösser
mit qualitätvollen lnterieurs, ganz. allgemein also die
architektonischen Gesamtkunstwerke mit ihrem Bezie-
hungsreichtum und mit ihrer Fülle von Anregungen auf
den heutigen Menschen ausüben, ist nichts anderes, als
eine psychologisch verständliche Reaktion auf die Farb-
losigkeit unseres Alltagslebens und auf die Einengung
des Horizonts, denen heute ein jeder ausgesetzt und
unterworfen ist. Es wäre ein grober Fehler, die ge-
botenen Gelegenheiten zu versäumen und nicht mit einer
einzigen programmatischen Tat die drei Probleme zu
lös Für die Museen neue Entfaltungsmöglichkcilcn,
für die Schlösser Erhaltung und neuen sinnerfüllten Be-
stand, für die Volksbildung neue wirksame Möglich-
keiten,