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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 1 und 2)

man sich doch nicht davor gescheut, sie zur Besichtigung 
freizugeben; ja, sie haben jährliche Besucherziffern zu 
verzeichnen, die die Hunderttausendergrenze oft weit 
übersteigen. 
Zusammenfassend läßt sich also aus dem Gesagten die 
Schlußfolgerung ziehen, daß ein gedeihliches Wachstum 
der musealen Sammlungen keineswegs von der Möglich- 
keit eines Erweiterungs- oder gar eines Neubaus abhän- 
gig gemacht werden darf. Im Gegenteil, darin den ein- 
zigen Weg zu sehen, um aus dem Engpaß der Raumnot 
herauszukommen, verurteilt zu hoffnungsloser Resigna- 
tion; denn es werden bestimmt in absehbarer Zeit nicht 
die Mittel zur Verfügung stehen, um derart kostspielige 
Bauprojekte zu finanzieren. Wie sollen aber dann die 
Museen ihre Sammlungen komplettieren und weiter aus- 
bauen, wie sollen die leer und nutzlos stehenden Schlös- 
ser vor dem sicheren Verfall behütet werden? Wenn wir 
dem berechtigten Vorwurf der Indolenz und der kultu- 
rellen Gleichgültigkeit entgehen wollen, - und das in 
einer Zeit nie dagewesener Prosperität und Konjunktur 
(wie lange noch und was dann. . .?) gibt es nur den ein- 
zigen Ausweg, der uns schon so vielfach und erfolgreich 
vorgezeigt wird: Die beiden Probleme, - das der Erhal- 
tung von Schlössern und Palästen durch eine sinnvollere 
und zweckentsprechende Verwendung und das der 
Raumnot in den Museen, - miteinander in Beziehung 
zu bringen und damit auch einer Lösung zuzuführen. 
Man bedenke, welche Sehenswürdigkeit ersten Ranges 
es für jeden Kunstfreund bedeuten würde, wenn ein so 
schönes Schloß wie Eckartsau, oder ein altes Wiener 
Palais, wie z. B. das Palais Trautson mit qualitätsvollen, 
musealen Gegenständen interieurmäßig ausgestattet 
C2 3 
1 Schloß Grcillenstein bei 
Horn, Niederösterreich. 
2 Schlofl Eekartsau, 
Niederösterreich, 
Treppenhaus. 
3 Schloß Greillenstein bei 
Horn, der große Saal. 
wären. Doch ist es von vordringlicher Wichtigkeit, zu- 
nächst die gesundc Tendenz zur Dezentralisierung zu 
unterstützen, um dem ständig anwachsenden Strom der 
Touristen, der Wochencndausflügler, die Denkmäler und 
Schätze unserer Kultur als lohnende Ziele außerhalb der 
Stadt und in ihrer weiteren Umgebung zu bieten. Daß 
die Verwirklichung dieser Aufgabe den damit befaßten 
Behörden und Instituten ein neuartiges und wirkungs- 
volles Instrument der Volkserziehung, der Bildung eines 
historischen und kulturhistorischen Verständnis. s, 
sowie der so notwendigen Erziehung zur Geschmacks- 
und Wohnkultur in die lland gibt. sollte alle, die darum 
bemüht sind, zu rückhaltloser Zusammenarbeit ver- 
binden. Die Sehlösser wirken wegen ihres Ensemble- 
charakters und ihrer Verfloehtenheit mit Landschaft, 
Kultur und Geschichte stets lebendig, unmittelbar und 
nachhaltig auf den Besucher; oft sogar überzeugender 
als Nlttscen. Die große Anziehungskraft, die Schlösser 
mit qualitätvollen lnterieurs, ganz. allgemein also die 
architektonischen Gesamtkunstwerke mit ihrem Bezie- 
hungsreichtum und mit ihrer Fülle von Anregungen auf 
den heutigen Menschen ausüben, ist nichts anderes, als 
eine psychologisch verständliche Reaktion auf die Farb- 
losigkeit unseres Alltagslebens und auf die Einengung 
des Horizonts, denen heute ein jeder ausgesetzt und 
unterworfen ist. Es wäre ein grober Fehler, die ge- 
botenen Gelegenheiten zu versäumen und nicht mit einer 
einzigen programmatischen Tat die drei Probleme zu 
lös Für die Museen neue Entfaltungsmöglichkcilcn, 
für die Schlösser Erhaltung und neuen sinnerfüllten Be- 
stand, für die Volksbildung neue wirksame Möglich- 
keiten, 
 

	        
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