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Wicklung hiesiger Gebrauchsgraphik genommen
hat, führte ihn auch schließlich von Chicago nach
Milwaukee und Minneapolis. Für Einfachheit,
Ökonomie der Mittel sind Binders Werke
ein vollkommenes Beispiel. Dazu kommt seine
feine Künstlerschaft, die ihm eine beseelte, oft
symbolische Lösung ermöglicht. Die Bewe
gungsmöglichkeiten seiner klaren direkten
Linienführung, gebunden an die Harmoniege
setze, vermitteln starke dekorative Wirkung und
bewußte Raumeinteilung, oft an seinen Lehrer
Löffler der Wiener Kunstgewerbeschule gemah
nend.
Das ,,Milwaukee Journal“, 20. Jänner 1935: „Die
Binder-Klassen werden in einem großen Raum
der Layton Gallery abgehalten. 35 Teilnehmer
sind voller Erwartung. Binder bewegt sich rasch
von einem zum anderen, und seine rücksichts
volle Weise wirkt ermutigend. Binder führt an:
,Commercial art (Gebrauchsgraphik) ist eine
Sache für sich selbst. Sie ist nicht ein Zweig
der Malerei, sie ist eindeutig eine klar erkennt
liche Kunstform im Dienste der Industrie; in
Europa zeitgemäß in ihrer wesentlichen Charak
teristik. Sie muß aus dem Geist unserer Zeit er
stehen. In den kurzen Wochen meines Hierseins
beabsichtige ich genau zu definieren, worin die
eigentliche Bedeutung moderner kommerzieller
Kunst besteht.'
.. . Nachdem Zeichnungen von Gegenständen,
Landschaften usw. fertiggestellt waren, wurde
die Aufgabe gegeben, ,zu stilisieren'. ,Betonen
Sie, was Ihnen das Hervorstechendste zu sein
scheint.' Dann wird die Bedeutung der Propor
tion erklärt. Herr Binder bringt von einem Tisch
ein überraschendes, stilisiertes Aquarell des
,Mariner Tower'.“
Carl Holty, New York, aus einem Vortrag über
das Werk Joseph Binders (Dezember 1972).
„Wir trafen uns im Winter 1935 in Milwaukee.
Charlotte Partridge, der Dekan einer der lokalen
Kunstschulen, welche ich viele Jahre kannte,
machte mich mit Herrn und Frau Binder be
kannt. Joseph Binder war zu dieser Zeit auf einer
ausgedehnten Tour durch die Vereinigten Staa
ten, um sein Konzept des modernen Plakates
und dessen Entwurf zu lehren und vorzutragen.
In New York setzten wir baldigst unsere Be
kanntschaft und Freundschaft fort...“
Binder erinnert sich: „Es war besonders kalt in
Milwaukee. Nur eine kurze Strecke vom Hotel,
welches am Ufer des Lake Michigan gelegen
war, weitergehend, meinte ich, das Gesicht sei
erfroren.“
Am 1. November begann der Kurs an der
Minneapolis Art School, und wir reisten mit dem
neuen und schnellsten Zug Amerikas, ,Zephyr',
der ,streamlined Sensation', nach der Hauptstadt
des Staates Minnesota. Die Antriebsmaschine
ist ein Dieselmotor, und der Zug erreicht eine
Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h und mehr
im Tal des Mississippi. Entsprechend der Jahres
zeit war diese Fahrt von dem ersten .Blizzard'
begleitet.