sich aus der Anwendung der von den Kelten in ihrem Be-
reich eingeführten Töpferscheibe ergeben. Das hochste-
hende Töpfergewerbe verflachte aber zusehends und en-
dete in der Spiitlatenezeit in einer technisch wohl vor-
züglichen, künstlerisch aber belanglosen Fabriksware, die
gleich anderen Massenartikeln des absinkenden Kunst-
handwerks in den Handel gebracht wurde. Von der mitt-
leren Laienezeit an beginnt man, dem Ton Graphit bei-
zumengen. Diese Graphittonware ist meist durch senk-
rechte, manchmal auch schräge Riefen, den „Kamm-
strich", verziert, häufig in Verbindung mit Stempel-
mustern, die auch sonst für die Latönekeramik typisch
sind. In der Spätlatcnezeit erscheint eine bemalte Kera-
mik mit geometrischer Verzierung aus geraden Linien,
B0gen- und Wcllenlinien, aber auch mit Ornamenten,
die auf das Fischblasenmotiv der reifen Latenekunst zu-
rückgehen. Auch die Holzbearbeitung muß auf beacht-
licher Höhe gestanden sein, wie eine Reihe von Bei-
spielen und Hinweisen lehrt. Die schon in der Hallstatt-
zeit bekannte Drehbank war auch bei den Kelten in
Gebrauch.
Österreich hatte eine beachtliche Reihe hervorragender
Erzeugnisse kunstgewerblich orientierter Latenekunst
aufzuweisen, vor allem Metallarbeiten, von denen die
älteren noch die Tradition hallstattzeitlicher Toreutik
fortsetzen. Das gilt für die berühmte, zu einem Früh-
lateneschwert gehörende Schwertscheide von Hallstatt
mit figürlichen Darstellungen, bei welchen die Krieger,
Reiter, Faustkämpfer und zwei ein Rad - das Attribut
eines keltischen Gottes - haltende Männer keltische
Tracht tragen, und ebenso für die Situla von Kuffern
(Niederösterreich) mit einem Fries, der aus Reitern,
Rennwagenfahrern, Faustkämpfern und einem Trink-
gelage zusammengesetzt ist. Die aus pflanzlichen Mo-
tiven entwickelte Fischblasenornamentik des Bandes
unter diesem Bildstreifen hingegen ist unverkennbar
kcltisch. Dieser Bronzeeimer ist ein sprechendes Beispiel
dafür, daß die dem Villanova- und vor allem dem Estc-
Kreis der Hallstattzeit im venetischen Oberitalien ent-
sprungene Situlenkunst auch noch im 4-. jahrhundert
v. Chr. in keltischer Umgebung fortlebte. Auch Einzel-
heiten auf dem Gürtelhaken von Hölzelsau in der Ge-
meinde Niederndorf bei Kufstein (Tirol) - Pferdeköpfe
mit durch Würfelaugen, ein typisches Hallstattmotiv,
wiedergegebenen Augen, eine diese Tierköpfe am Maul
packende Menschenfigur und zwei entenartige Vögel-
chen, Nachfahren des „Hallstattvogels" - bezeugen,
daß hallstättische Verzierungsweisen sich in der Früh-
latenezeit behaupteten. An weiteren Latenefunden aus
Österreich von höherer künstlerischer Qualität seien
eine Maskenfibel von S-förmigem Duktus mit zwei Tier-
köpfen von Wien XXI. Leopoldau, ein aus zwei halb-
mondförmigen Blechen zusammengenietetes Beschlag-
stück mit einer aus gesprengten Palmettcn und Schwell-
ranken zusammengesetzten Verzierung an beiden Seiten
von Brunn an der Schneebergbahn und eine emailver-
zierte Gürtelkette von Raggendorf (beide Niederöster-
reich) genannt.
Die meisten und man kann ruhig sagen auch besten
Erzeugnisse keltischen Kunsthandwerks, darunter solche
von ausgesprochen europäischer Bedeutung in sogar sin-
gulären Beispielen, hat in Österreich aber das Land
Salzburg geliefert. Der älteste Fund ist das Bruchstück
eines Halsreifs aus Gold mit verzierten Pufferendcn,
eines typischen keltischen Torques. der 1874 bei der
Maschlalpe im Seidlwinkeltal (Rauris) am Übergang
über das Heiligcnbluter Hochtor nach Kärnten, gefunden
wurde, 1902 in das Ungarische Nationalmuseum in Bu-
dapest und schließlich in das Salzburger Museum Ca-
rolino Augusteum gelangte. wo dieses wertvolle Stück
in den Wirren des Zweiten Weltkrieges leider verloren
ging, ein Schicksal, das auch der Sammlung antiker
Münzen des Museums einschließlich der keltischen Ge-
präge widerfuhr. Als erster überragender Fund kam im
Jahre 1932 am Dürrnberg aus einer Wagenbestattung in
einer Gräbergruppe am Fuße des Mosersteins eine in
Form und Verzierung einzigartige Schnabelkanne aus
Bronze zutage. Mit ihrem schlanken, auf Vorbilder grie-
chischer Keramik zurückgehenden Körper und der scharf
abgesetzten, fast waagrechten Schulter gehört sie, wie die
beiden Prachtkannen von Bouzonville-Niederyeutz im
Elsaß, zum Typus der „Schulterkanne" (R. Pittioni). Die
kraftvolle Vertikalgliederung durch bandförmige und
spitzovale Rippen, Buckel, Perlen und S-iörmige Schwell-
ranken, die phantastischen, ornamental aufgelösten Tiere
und Menschenköpfe am Mundsaum und Henkel ver-
weisen die Kanne in die „Kontraststufe" des Frühlatene-
stiles. Die Durchbrechungen am llenkcl und Rand ent-
sprechen einem malerischen, mit barocken Kontrasten
operierenden Dekorationsprinzip, das von dem dieser
Entwicklungsstufe der keltischen Kunst vorangegange-
nen Phase des „strengen" Stils mit seiner magischen
Kraft und Klarheit (K. Schefold) absticht. Der Unter-
schied wird augenfällig, wenn man etwa die Schnabel-
kannc vom Dürrnberg mit zwei schlichteren Latene-
funden aus Oberösterreich vergleicht, der Schnabelkanne
von Sunzing mit einer Harpyie am Henkelansatz und
einer einzelnen l-lenkelattache von Braunau am Inn, bei
der die Verzierung nur aus Doppelspiralen und einfachen
pflanzlichen Motiven besteht. Stilgeschichtlich interes-
sant und aufschlußreich ist auch ein Kleinfund vom
Dürrnberg aus dem jahre 1933, eine keltische Kopf-
applike, die vermutlich von einem Pferdegesehirr stammt.
Sie besteht aus einem bartlosen Männerkopf in Seiten-
ansieht mit vorspringendem Kinn, ausgeprägten Lippen,
hochsitzendem Tierohr und strähnig zurüekgekämmtem
Haar. Die Lidspalte des gewölbten Auges ist durch eine
3 Feldflasche aus Bronze vorn Dürrnbcrg.