NEUES ZUM WERK DES BERLINER
FRANZ WINDISCH-GRAETZ
HOFTISCHLERS j. G. FIEDLER
Bis vor kurzem konnte man mit dem Namen G. Fied-
ler nur ein einziges gesichertes Werk verbinden, den be-
rühmten Aufsatzsekretär (oder Schreibschrank) im Mu-
seum für Kunst und Gewerbe in llamburg (Abb. 2), der
die Signatur „J. G. Fiedler. Fee: 1775 Berlin" (Abb. 3)
trägt} [Überraschenderweise fanden sich in jüngster Zeit
nicht weit von Wien, in Schloß Loosdorf (Niederöster-
reich), - an einem Ort also, an dem man wohl mit
Recht nicht erwarten würde, Berliner Möbel anzutref-
fen, - zwei prächtige Kommoden (Abb. 1), von denen
eine „Fiedler. fec: 1785" (Abb. 4) signiert ist?
Der Vergleich der beiden Signaturen läßt keinen Zweifel
darüber bestehen, daß die zwei lnschriftcn von der glei-
chen Hand stammen. Der Duktus und das Schriftbild
sind hier wie dort nahezu identisch; man vergleiche das
F und besonders das sehr charakteristische d; sie stim-
men vollkommen überein; auch das l in der Loosdorfer
Signatur entspricht dem l im Wort Berlin am Hambur-
ger Sekretär. Geringfügige Unterschiede in der Form
der Buchstaben sind dadurch bedingt, tlaß die eine Sig-
natur mit schwarzer Farbe auf das glatte Furnierholz
des Pultdeckels geschrieben ist, während die andere mit
dem Messer in den harten Eiehenholzrahmen einge-
schnitten ist, der die obere Deckplatte des Kommoden-
körpers einfaßt. Die Signatur wird sichtbar, wenn man
die weiße Marmorplatte etwas beiseite schiebt.
Von Fiedler ist soviel bekannt, daß er von Friedrich
Wilhelm II. mit Urkunde vom 2. September 1786 in
seiner Eigenschaft als Hoftischler bestätigt wurde? Dem-
nach war er also bereits von Friedrich II. zum Hoftisch-
ler ernannt worden und muß zur Zeit der Erneuerung
seines Titels nicht nur für den lI0f tätig gewesen sein,
sondern auch bei Friedrich Wilhelm II. in Gunst ge-
standen haben. Welche Aufträge er aber tatsächlich für
den Hof ausgeführt hatte und wie seine Möbel aus dieser
späteren Zeit aussahen. auf diese Frage mußte die For-
schung bisher die Antwort schuldig bleiben, weil keine
Handhabe dafür gegeben war, ein Berliner Hofmöhel
aus den Jahren um 1786 mit Fiedler in Verbindung zu
bringen. Die zwei Loosdorfer Kommoden haben da nun
willkommene Abhilfe geschaffen.
Nach ihrer Datierung sind die beiden Möbelstücke noch
in der Regierungszeit Friedrich II. entstanden, der am
17. April 1786 starb. Dennoch erscheint es wenig glaub-
haft, daß die Kommoden für den König ausgeführt wur-
den. Was wir als lriderizianisches Mobiliar zu bezeich-
nen gewohnt sind, gehört durchwegs dem Rokoko an.'
Von Friedrich Wilhelm II. hingegen wissen wir, daß er
schon als Kronprinz ein großer Anhänger der neuen.
Kunstrichtung des Klassizismus gewesen ist. Er war es
auch, der viel mehr als der alte König, dem großen Mei-
ster aus Neuwied, David Roentgen, gewogen war. Von
Friedrich II. ist aktenmiißig bloß die Anschaffung eines
kleinen eingelegten Tischehens von Roentgen im jahre
1770 beltanntf während der Kronprinz so bedeutende.
Ankäufe tätigte, wie „das große Mechanische Schreib-
bureau" im Jahre 1779 und einen „Secretär a Cilindcr
garniert en or mat" im Jahre 17833 von den späteren,
noch umfangreicheren Lieferungen ganz zu schweigen.
Es liegt also nahe, claß der Kronprinz für die weitere
Ausstattung seiner Räume auch bei einem Berliner
Hoftisehler Möbel in Auftrag gab, die im klassizistischen
Geschmack ausgeführt sein sollten, um zu den Möbeln
von Roentgen zu passen} Das wäre eine annehmbare
Erklärung für die Herkunft und Bestimmung der Loos-
dorfer Kommoden und fände darin ihre Bestätigung, daß
Friedrich Wilhelm ll. die Funktion und den Titel Fied-
lers als lloftischler bestätigte, weil er ihn bereits beschäf-
tigt hatte und seine Arbeit zu schätzen wußte.
Wie nicht anders zu erwarten, hat sich Fiedler bei der
Gestaltung der Loosdorfer Kommoden weitgehend an
das Pariser Vorbild gehalten, das für Hofmöbel von
exemplarischer Bedeutung war, und ist dabei dem Mö-
belstil, wie er am französischen Hof bevorzugt wurde,
grundsätzlich sehr nahe gekommen. Doch war dieser
Einflull wahrscheinlich mehr ein indirekter, da er Fied-
ler auf dem Umweg über die Kunst David Roentgens
vermittelt wurde.
Ganz im Sinne Roentgens sind, um nur auf ein sehr be-
zeiehnendes Detail hinzuweisen, die geriffelten Metall-
einlagen, die als Füllungen der seitlichen Hermenpi-
laster und als schmale Rahmungen der Ladenfelder Ver-
wendung gefunden haben. Sie sind nicht auf dem Furnier
aufgeschraubt, wie das bei den übrigen Bronzen der
Fall ist, sondern auf dem Kernholz, sind also vom
Furnier umgeben und bilden mit ihm eine Ebene. Die
Karyaliden sind Varianten ähnlicher Bronzen auf
Roentgens berühmtem Berliner „Mechanischem Schreib-
bureau" von 1779. Eine gewisse Schwere der Bau-
weise wird man wohl ebenfalls auf das Konto dieses
Einflusses buchen können. Die hohe Qualität der Bron-
zen weist freilich übcr Roentgen hinaus auf das Pariser
Vorbild hin, das ja auch für die Neuwieder Werkstatt
richtunggebend war. Aber die Beschläge selbst stammen
sicherlich weder aus Paris, noch aus Neuwied. Dafür
weicht die Formgebung im einzelnen, sowie die Gesamt-
komposition des Bronzedekors doch zu stark von dem
in Paris gebräuchlichen Schema ab. Schon die laufende
Ranke und das Deckblatt in Form einer Vase auf der
schmalen obersten Lade (Abb. 5), aber auch die Rahmuin-
gen der intarsierten Medaillons, die Lorbeerzweige, Lö-
wenmasken, Eckverzierungen der Laden, die flammen-
artig emporzüngelnden kleinen Ranken und die Rosetten
auf den geriffelten Metalleinlagen, die schwere, barock
anmutende Kartusche mit der Frauenmaske (Abb. 6), -
alles das ist wohl in französischem Geschmack, aber
doch völlig selbständig gestaltet und gibt es in dieser
Art nicht in Paris. Die ausgezeichneten Bronzen bestä-
tigen die Leistungsfähigkeit der Berliner Bronzegießer
und Ziseleure. Dieses Handwerk hatte bereits unter
Friedrich lI. Bedeutendes hervorgebracht, wie es die
prächtigen Beschläge der Rokoko Kommoden von Kam-
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