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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 52)

NEUES ZUM WERK DES BERLINER 
FRANZ WINDISCH-GRAETZ 
HOFTISCHLERS j. G. FIEDLER 
Bis vor kurzem konnte man mit dem Namen  G. Fied- 
ler nur ein einziges gesichertes Werk verbinden, den be- 
rühmten Aufsatzsekretär (oder Schreibschrank) im Mu- 
seum für Kunst und Gewerbe in llamburg (Abb. 2), der 
die Signatur „J. G. Fiedler. Fee: 1775 Berlin" (Abb. 3) 
trägt} [Überraschenderweise fanden sich in jüngster Zeit 
nicht weit von Wien, in Schloß Loosdorf (Niederöster- 
reich), - an einem Ort also, an dem man wohl mit 
Recht nicht erwarten würde, Berliner Möbel anzutref- 
fen, - zwei prächtige Kommoden (Abb. 1), von denen 
eine „Fiedler. fec: 1785" (Abb. 4) signiert ist? 
Der Vergleich der beiden Signaturen läßt keinen Zweifel 
darüber bestehen, daß die zwei lnschriftcn von der glei- 
chen Hand stammen. Der Duktus und das Schriftbild 
sind hier wie dort nahezu identisch; man vergleiche das 
F und besonders das sehr charakteristische d; sie stim- 
men vollkommen überein; auch das l in der Loosdorfer 
Signatur entspricht dem l im Wort Berlin am Hambur- 
ger Sekretär. Geringfügige Unterschiede in der Form 
der Buchstaben sind dadurch bedingt, tlaß die eine Sig- 
natur mit schwarzer Farbe auf das glatte Furnierholz 
des Pultdeckels geschrieben ist, während die andere mit 
dem Messer in den harten Eiehenholzrahmen einge- 
schnitten ist, der die obere Deckplatte des Kommoden- 
körpers einfaßt. Die Signatur wird sichtbar, wenn man 
die weiße Marmorplatte etwas beiseite schiebt. 
Von Fiedler ist soviel bekannt, daß er von Friedrich 
Wilhelm II. mit Urkunde vom 2. September 1786 in 
seiner Eigenschaft als Hoftischler bestätigt wurde? Dem- 
nach war er also bereits von Friedrich II. zum Hoftisch- 
ler ernannt worden und muß zur Zeit der Erneuerung 
seines Titels nicht nur für den lI0f tätig gewesen sein, 
sondern auch bei Friedrich Wilhelm II. in Gunst ge- 
standen haben. Welche Aufträge er aber tatsächlich für 
den Hof ausgeführt hatte und wie seine Möbel aus dieser 
späteren Zeit aussahen. auf diese Frage mußte die For- 
schung bisher die Antwort schuldig bleiben, weil keine 
Handhabe dafür gegeben war, ein Berliner Hofmöhel 
aus den Jahren um 1786 mit Fiedler in Verbindung zu 
bringen. Die zwei Loosdorfer Kommoden haben da nun 
willkommene Abhilfe geschaffen. 
Nach ihrer Datierung sind die beiden Möbelstücke noch 
in der Regierungszeit Friedrich II. entstanden, der am 
17. April 1786 starb. Dennoch erscheint es wenig glaub- 
haft, daß die Kommoden für den König ausgeführt wur- 
den. Was wir als lriderizianisches Mobiliar zu bezeich- 
nen gewohnt sind, gehört durchwegs dem Rokoko an.' 
Von Friedrich Wilhelm II. hingegen wissen wir, daß er 
schon als Kronprinz ein großer Anhänger der neuen. 
Kunstrichtung des Klassizismus gewesen ist. Er war es 
auch, der viel mehr als der alte König, dem großen Mei- 
ster aus Neuwied, David Roentgen, gewogen war. Von 
Friedrich II. ist aktenmiißig bloß die Anschaffung eines 
kleinen eingelegten Tischehens von Roentgen im jahre 
1770 beltanntf während der Kronprinz so bedeutende. 
Ankäufe tätigte, wie „das große Mechanische Schreib- 
bureau" im Jahre 1779 und einen „Secretär a Cilindcr 
garniert en or mat" im Jahre 17833 von den späteren, 
noch umfangreicheren Lieferungen ganz zu schweigen. 
Es liegt also nahe, claß der Kronprinz für die weitere 
Ausstattung seiner Räume auch bei einem Berliner 
Hoftisehler Möbel in Auftrag gab, die im klassizistischen 
Geschmack ausgeführt sein sollten, um zu den Möbeln 
von Roentgen zu passen} Das wäre eine annehmbare 
Erklärung für die Herkunft und Bestimmung der Loos- 
dorfer Kommoden und fände darin ihre Bestätigung, daß 
Friedrich Wilhelm ll. die Funktion und den Titel Fied- 
lers als lloftischler bestätigte, weil er ihn bereits beschäf- 
tigt hatte und seine Arbeit zu schätzen wußte. 
Wie nicht anders zu erwarten, hat sich Fiedler bei der 
Gestaltung der Loosdorfer Kommoden weitgehend an 
das Pariser Vorbild gehalten, das für Hofmöbel von 
exemplarischer Bedeutung war, und ist dabei dem Mö- 
belstil, wie er am französischen Hof bevorzugt wurde, 
grundsätzlich sehr nahe gekommen. Doch war dieser 
Einflull wahrscheinlich mehr ein indirekter, da er Fied- 
ler auf dem Umweg über die Kunst David Roentgens 
vermittelt wurde. 
Ganz im Sinne Roentgens sind, um nur auf ein sehr be- 
zeiehnendes Detail hinzuweisen, die geriffelten Metall- 
einlagen, die als Füllungen der seitlichen Hermenpi- 
laster und als schmale Rahmungen der Ladenfelder Ver- 
wendung gefunden haben. Sie sind nicht auf dem Furnier 
aufgeschraubt, wie das bei den übrigen Bronzen der 
Fall ist, sondern auf dem Kernholz, sind also vom 
Furnier umgeben und bilden mit ihm eine Ebene. Die 
Karyaliden sind Varianten ähnlicher Bronzen auf 
Roentgens berühmtem Berliner „Mechanischem Schreib- 
bureau" von 1779. Eine gewisse Schwere der Bau- 
weise wird man wohl ebenfalls auf das Konto dieses 
Einflusses buchen können. Die hohe Qualität der Bron- 
zen weist freilich übcr Roentgen hinaus auf das Pariser 
Vorbild hin, das ja auch für die Neuwieder Werkstatt 
richtunggebend war. Aber die Beschläge selbst stammen 
sicherlich weder aus Paris, noch aus Neuwied. Dafür 
weicht die Formgebung im einzelnen, sowie die Gesamt- 
komposition des Bronzedekors doch zu stark von dem 
in Paris gebräuchlichen Schema ab. Schon die laufende 
Ranke und das Deckblatt in Form einer Vase auf der 
schmalen obersten Lade (Abb. 5), aber auch die Rahmuin- 
gen der intarsierten Medaillons, die Lorbeerzweige, Lö- 
wenmasken, Eckverzierungen der Laden, die flammen- 
artig emporzüngelnden kleinen Ranken und die Rosetten 
auf den geriffelten Metalleinlagen, die schwere, barock 
anmutende Kartusche mit der Frauenmaske (Abb. 6), - 
alles das ist wohl in französischem Geschmack, aber 
doch völlig selbständig gestaltet und gibt es in dieser 
Art nicht in Paris. Die ausgezeichneten Bronzen bestä- 
tigen die Leistungsfähigkeit der Berliner Bronzegießer 
und Ziseleure. Dieses Handwerk hatte bereits unter 
Friedrich lI. Bedeutendes hervorgebracht, wie es die 
prächtigen Beschläge der Rokoko Kommoden von Kam- 
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