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Volltext: Alte und Moderne Kunst VI (1961 / Heft 52)

 
l Qrphischß Welt, Öl auf Faserplatle 
weofcn. 
2 Scillebcn, Bleistift, 1956. 
3 Begegnung (Christus-Petrus) Tusch- 
Aquarelle, 1958. 
4 Sitzcndes Mädchen, Monotype, 1956. 
5 Orphischc Welt, Ol auf Leinwand, 
1960,61. 
oder im Spiegel betrachtet. Hat sich 
nun ein Thema in der Vorstellung 
des Malers gebildet, wird es durch 
Llinhringung linearer Elemente an- 
gedetitet. Dadurch ist erklärlich. 
daß das malerische Prinzip immer 
stärker in den Vordergrund tritt 
und zum Träger der Gesamtwir- 
kung wird. ln den Arbeiten des jah- 
rcs 1959 finden sich solche, in wel- 
chen die das Thema bestimmenden 
(meist dunklen) Linien gleichsam 
wie ein Netz über die farbige Kom- 
position gelegt wurden. Dem The- 
ma nach nehmen die figurale Kom- 
position und das Stilleben den brei- 
testen Raum ein. tritt vereinzelt 
die Landschaftsdarstellung auf, wird 
jedoch die Bildnismalerei überhaupt 
nicht berücksichtigt. 
ln den letzten Arbeiten nun, die 
Lettner im hcurigen Jahr in großen 
Kollektivausstellungen in Innsbruck 
und Pforzheim zur Schau gestellt 
hat (und die im llerbst dieses jah- 
res auch in Wien gezeigt werden), 
wird auch auf die assoziativen An- 
deutungen und gegenständlichen Be- 
ziehungen völlig verzichtet. Den- 
noch füllt es schwer, diese letzten 
Arbeiten als durchaus gegenstands- 
los zu bezeichnen. Vielmehr ver- 
sucht Lcttner, der sich nun ganz 
auf die Gestaltung seelischer 15er V 
ehe beschränkt, jene Welt aufzuzei- 
gen und vorzuführcn, die, ohzwar 
unseren Augen nicht sichtbar, ge- 
nauso eine Realität des menschli- 
chen Daseins darstellt wie die 
schaubarc. Es sind Gefühle, seeli- 
sche Zustände, Ahnungen vielleicht 
auch, die mit größter Eindringlich- 
keit wiedergegeben werden. Berei- 
che des Daseins, denen wir alle aus- 
geliefert sind, tiefere Schichten un- 
seres Lebens, von denen wir frei- 
lich nicht durch unseren kritischen 
 
Verstand Kenntnis haben, die wir 
vielmehr entsprechend dem schöpfe- 
rischen Akt erfühlen und empfinden 
können, sind in diesen Bildern nun 
plätzlieh spürbar. Es sind freilich 
nicht immer positive Gefühle, die 
beim Betrachter ausgelöst werden, 
wenn Lettner mit einer vitalen, 
stürmischen und leidenschaftlichen 
Kraft in diese Bereiche einbricht. 
Diese Kraft, die fern aller Brutali- 
tät aus reiner Gefühlsstärke resul- 
tiert, tritt auch in der formalen Ge- 
staltung entgegen. Es ist bemer- 
kenswcrt, daß Lettner, dessen ur- 
sprüngliche und unmittelbare Freu- 
de an starken Farben und Farbkon- 
trasten die Wirkung der Bilder be- 
stimmte, in vielen seiner neuen Bil- 
der auf die Farbigkeit ganz xierzich- 
tet und mit dem Schwarz und dem 
Wleill und mit den damit verbun- 
denen Zwischentönen und Yaleurs 
das Auslangen findet, Der Künstler 
fallt diese Werke unter der Bezeich- 
nung _,Orphische Welt" zusammen. 
llr weist dadurch auf sein Wollen 
hin, im schöpferischen Akt in nicht 
voll ausdeutbareBereiche des llnter- 
und Llnbewußten einzudringen. 
Neu an den Bildern ist für Lettner 
auch die Technik. Er malt mit einer 
Art xion Stuckmasse, so daß ein 
leichtes Relief entsteht. und arbei- 
tet, nachdem er die Flache einige- 
fiirbt hat, durch Xllfischen die Struk- 
tur des Bildes heraus. Dieses Grenz- 
bereich zwischen Diesseits und jen- 
seits, das der Nlaler hier aufsucht, 
bleibt aber unserer dreidimensiona- 
len Raumvorstellung verhaftet. Und 
so weisen auch sowohl die farbigen, 
wie auch die schwarz-weißen (le- 
miilde eine reale Tiefenwirkung auf. 
Damit aber ist Lettner eint-Synthese 
gelungen zwischen räumlicher Dar- 
stellung und Flächenkomposition. 

	        
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