7
gestaltung: die Pilsener Madonna zeigt sich unver-
gleichlich eleganter aufgebaut, reicher gewandet,
feinfühliget durchgearbeitet. Charakteristisch ist
der Gegensatz der Rückseiten: lis kommt in der
Rückenansicht der Gruppe Louvre-(Iolli gar nicht
zum Ausdruck, daß der Körper der Madonna nur
einen Teil der Breite einnimmt; das Zerrmotiv
des qucrhängenden, beidseitig geschützten Mantel-
teiles erweckt vielmehr den liindruck einer gewissen
Plumpheit, der zur Vorstellung einer „Schönen
Madonna" im Widerspruch steht.
Die „Schuld" daran trägt vor allem diejenige Falte,
die (auf der Rückseite) von der rechten Schulter
zur Hüfte geht. Sie ist beim Louvreiläviw ganz in
die P 'che geklappt, während sie bei der Pilsener
Madonnaq) deutlich nach vorn weist, also räumlich
angelegt ist. Linterhalb ihrer erscheint die Figur
zugleich schlanker. Diese Feststellung gibt uns einen
doppelten Hinweis: nicht nur ist die Pilsener Klar
donna heuer als die Äladonnen vom laiiivre-Tylw,
sondern sie ist auch Jllrr.
Die Beziehung des Typs Louvre-Colli zum Pilsener
Typ ist wohl die nächste, aber nicht die einzige.
Der allgemeine Aufbau 7 mit Doppelwellen-
schwung, schmiegsameiti Konturenverlatif, gerun-
deter oberer Schüsselfalte findet sich vergleich-
bar bei der Madonna von Nlziria-Ktilm im Pilger-
land I"). Abweichend sind zwei wesentliche Nlotive
gestaltet: das Faltensystem läuft in eine llaarnadel-
Falte aus, und das Kind sitzt in Maria-Kulm nur auf
dem linken Arm. Diese beiden hlotivtinterschietie
können sich aber bei Folgewerkcn verwischen.
Weiterhin bestehen Verbindungen zur Madonna
von Großgmain. Allein diese, in ihrer Datietung
früher verkannte Figur bediirfte einer eigenen Bei
sprechung, und es ist überdies wahrscheinlich,
daß sie nicht direkt, sondern auf dem Umweg über
den Pilsener Typ auf den 'l'_vp l,()l.lVl'C'CUlll einge-
wirkt hat. Beachtet zu werden verlangt dagegen
in diesem Zusammenhang die Klosternetiburger
Madonna von 1405. Diese bisher nicht ausreichend
beachtete und veriälfentlichte Figur 11) ist eine 210 cm
hohe Sandsteinmadonna, die jetzt im Stiftsmuseum
zu Klosterneuburg steht. ()b man sie als eine
„Schöne Madonna" im engsten Sinne des XlVortes
bezeichnen sollte, darüber ließe sich diskutieren;
ganz gewiß spielt sie in diesem Kunsrkreis eine er-
hebliche Rolle. Sie zeigt den Weichen Stil des
Wiener bzw. Klosterneuburger Bezirks nicht mehr
in seinen Anfängen, sondern bereits auf dem Höher
punkt. Ausdruckskraft, Proportionen und Falten-
reichtum unterscheiden sie von der (lruppe Louvre?
Colli beträchtlich. Völlig anders ist der Typ des
Kindes, das nur auf einem Arm 7 ihrem rechten 7
sitzt, während die andere Hand wohl ein Zepter
trugll). Aber auch hier haben wir es wieder mit
einem austauschbaren Motiv zu tun: es spielt für
den (icsamtaufbau bei vielen Typen keine ent-
scheidende Rolle, ob das Kind mit beiden llanden
getragen wird oder nur mit der einen, während die
andere einen Apfel oder ein Zepter hält. (Das
gleiche gilt für NläflHeKllllH.)
19