2 Chor und Qucrlnus, Slifixkirrhc
Zwcul. N13.
3 (Iboralnitht der Kirche in Dcillsrll-
Altenburg, N0.
4 Spinncrh um Kreuz. Wiener Neu-
slatli. N0.
er mit dem Hinweis auf den schon längst fertig-
gestellten Turmriesen zu Freiburg und die gleichfalls
noch dem hohen 14. Jahrhundert angehörenden
mächtigen Turmunterbauten in Straßburg. Gerade
in der Heranziehung der „Turmfachleute" aus Prag,
Peter von Prachatitz und Wenzel Parler, erblickt
Donin den Mißgriif; ihre Tätigkeit wird die Kata-
strophe herbeigeführt haben. Daraus resultiert jedoch,
daß der ursprüngliche Turmplan, den Tietze Peter
von Prachatitz, Kletzl Wenzel Parler geben mochten,
nur vom „herzoglichen Baumeister" Michael Knab
stammen konnte.
Eine Art „Gleichenfeier" am 25. Juni 1407 23) dürfte
die Voraussetzungen für den neuerlichen Viiieder-
aufbau gegeben haben. Das Werk schoß nun rasch
empor: 1416 mag, wie eine Baubeschau bezeugen
könnte 24), das Glockengeschoß fertig gewesen sein,
1422 könnte ein für Meister Peter veranstaltetes
Festessen den Hinweis geben, daß die Turmhöhe bis
zum Helmansatz gediehen sein dürfte 25).
Die Hauptlast der gesamten Arbeit trug Peter von
Prachatitz, der bis zum Abschluß des (llockenhauses
vielleicht mit der Verpflichtung gebunden war, die
bis zu diesem Bauabschnitt ziemlich detaillierten
Vorlagen Michael Knabs zu benützen. Das Glocken-
geschoß endigt mit einem kräftigen (iesims, eigent-
lich der einzigen wirklich fühlbaren Waagrechten im
gesamten Turmaufriß. Darüber wird alles Detail
reicher, üppiger und kleinteiliger, der Turmkörper
ist mit minutiösem Steinmetzwerk übersät. Hier
erst dürfte, wie Zykan wohl mit Recht vermutet 16),
das Schöpferische der Persönlichkeit Peters von
Prachatitz voll zur Entfaltung kommen. Erinnerun-
gen aus der Tätigkeit am Veitsdom zu Prag, der ja
als Werk des Mathias von Arras von Anbeginn als
eine in fremdes Land verpflanzte rein französische
Kathedrale eine gegenüber St. Stephan in Wien
reichere tektonische und ornamentalc Durchbildung
erforderlich gemacht hatte, aber auch bei der Über-
siedlung nach Wien mitgeführtes Planmaterial aus
Prag 7 Zykan datiert z. B. die Pergamentzeichnung
mit zwei Aufrißdetails des Domturms von Prag in
das Ende des 14. Jahrhunderts 17) i dürften Meister
Peter instand gesetzt haben, die ganze Fülle seines
Ideenreichtums über den Mittelteil des Stephans-
turmes auszugieiien. Die Arbeit des Meisters in der
Hütte bestand ia zum Großteil darin, aus dem
Gesamtplan die Einzelheiten in der erforderlichen
Größe herauszuzeichnen. Nun konnte aber der Ur-
plan unmöglich alle nebensächlichen Details ent-
halten, so daß die tägliche zeichnerische Tätigkeit
des Hüttenmeisters immer wieder neuem
schöpferisch im Erfinden neuer Ziergestalten werden
mußte 23). Auf diesen Bauabschnitt wird daher auch
bezogen werden müssen, was Ebendorfer mitteilt:
die Gestehungskosten waren für keinen behauenen
Stein geringer als ein Dukaten oder ein ungarischer
(iulden Z9). Wenn sich Ebendorfer für diese Angabe
auf Außerungen des Kirchmeisters Johannes Kauff-
mann beruft, der 14l6[17 gestorben ist, könnte dies
wohl einen lirinnerungsfehler als Ursache haben:
libendorfer schrieb seine Chronik ungefähr 35 Jahre
nach den von ihm geschilderten Ereignissen! Nicht
näher bezeichnete Arbeiten anderer Art - etwa die
Abtragung der alten Basilika oder die Aufführung
dcr Westfassade mit dem großen Stirnfenster, dessen
Vorzeichnung sich erhalten hatlß) w führten am
7. Juni 1422 zu einer Einschränkung und am 3. Ok-
tober zur viälligen Stillegung der Steinmetzarbeit in
der Hütte. Am S. Februar 1429 starb Peter von
Prachatitz, der mit Jahresbeginn die Arbeit am Hoch-
von
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turmc wieder aufgenommen hatte. Der ehemalige
Parlier Hans von Prachatitz stieg zum Hüttenmeister
auf. Unter seiner Leitung wurde die Errichtung des
Steinhelms besonders intensiv betrieben-W). Ende
1430 wurde das Baugerüst (wohl der unteren Turm-
partien) zum Teil abgetragen: das Werk hat sich
damals zum ersten Male in seiner ganzen Pracht
repräsentiert. Mit der Aufsetzung der Kreuzrose
am 30. September 1433 vermochte Hans von Pra-
chatitz das stolze Werk zu beschließen 31).
Der Hochturm von St. Stephan, das unbestrittene
Hauptwerk der gotischen Architektur Österreichs,
hat durch seine seitliche Stellung nur einen sehr
lockeren Zusammenhang mit dem eigentlichen
Kirchenkiärper. Dennoch, oder gerade deswegen,
verrät er durch zahlreiche formale Erscheinungen
das Bestreben seiner hieister, ihn mit dem Chore (zu
dem er ja eigentlich gehört), aber auch mit dem
Langhause enger zusammenzubinden. So urnfangt
der Blattwerkfries der 'l'rauflinie des (Ihores den
gesamten Turmkörper und wird über das Langhaus
weitergeführt. Die Doppelfenster des Turmerd-
geschosses scheinen wieder den Fensterpaaren der
Herzogskapelle zu antworten. Schließlich hat Peter
(oder Hans?) von Prachatitz das Motiv des großen,
das Glockengeschoß „verschleiernden" Dreiecks-
giebels für den baulichen Abschluß der Langhaus-
mauern übernommen und einen dieser Giebel, den
sogenannten „Friedrichsgieber über dem Singerture,
auch mit seinem Maßwerkvorhang versehen (1430).
Durch diese Elemente wird der Hochturm trotz
seiner isolierten Aufstellung fühlbar mit dem Kir-
chenbau verknüpft. Die zweite Eigenschaft des
„Stephansturrnes" konnte sich nur durch seine vom
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