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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 60 und 61)

waren, den Werken der großen niederländischen Primitiven, 
einem Pieter Breughel dem Älteren oder auch den Bildern der 
großen Antwerpener Schule des 17. Jahrhunderts vorzog. 
Dennoch umfaßte seine Galerie, dank der klugen Kaufe, die 
Teniers abschloß, eine große Zahl von Meisterwerken, und das 
Wüener Kunsthistorische Museum ist heute eines der reichsten 
an flämischen Bildern. 
Teniers war nicht der einzige Künstler, der Leopold Wilhelms 
Förderung genoß. Auch der Bildhauer Jerome Duquesnoy der 
Jüngere erhielt zahlreiche Aufträge, ebenso der französische 
Maler Frangois Luycks, 1604 in Antwerpen geboren, 1668 in 
Wien gestorben, wo er, nach dem im Jahre 1662 erfolgten Ab? 
leben des llrzherzogs, llnfmaler Ferdinands lll. geworden 
war. 
Leopold Wilhelm förderte ebenfalls Jean van den Hoecke 
(161171651), der im Jahre 1647 zum Hofmaler ernannt wurde, 
und dessen Halbbruder, Robert van den Hoecke (162271668), 
einen ausgezeichneten Radierer von Landschaften und militäri- 
schen Sujets. 
Auch Peter Snayers (1592?1667) nahm er in seine Dienste, 
einen der besten Schlachtenmaler aller Länder und aller Zeiten, 
der mit einer Reihe von 50 Bildern zum llistoriographen des 
Dreißigjährigen Krieges wurde und unter anderem auch 21 Bilder 
für den Feldmarschall der spanischen Truppen in den Nieder- 
landen, Octavio Piccolomini, angefertigt hatte. Snayers war Hof- 
maler der Erzherzogin lsabella gewesen, für die er die Erobee 
rung von Breda und die Wüallfahrt zum Brunnen der hl. Anna 
(Fontaine Sainte-Annc) von Lacken gemalt hatte. Für den Kar- 
dinal-lnfanten hatte er den Sieg von Calloo vom 21. Juni 1638 
dargestellt. lir fuhr weiter fort, die Waffentaten Leopold Wil- 
helms zu verherrlichen, und malte unter anderem den Entsarz 
von Courtrai, das die Franzosen 1648 eingeschlossen hatten. 
Eines seiner Bilder stellt den Erzherzog vor der Kirche Notre- 
Dame au Sablon in Brüssel am 23. April 1651 beim Grand 
Serment dar. 
Leopold Wilhelm ist es auch, dem die Hauptstadt Belgiens die 
Fertigstellung ihrer schönen Kathedrale der Heiligen Michael 
und Gudula (Saints Michel et Gudule) verdankt. Erzherzogin 
lsabella hatte in ihren letztwilligen Verfügungen den Wunsch 
ausgesprochen, daß zu Ehren der hl. Jungfrau, die sie ihr ganzes 
Leben lang zutiefst verehrt hatte, eine Kapelle errichtet werde, 
die ein Gegenstück zu der von Karl V. in Erinnerung des 
Saint-Sacrement du Miracle (Allerheiligsten Altarsakramentes) 
erbauten Kapelle bilden sollte. Die ständigen Kriege und die 
finanzielle Zerrüttung, die deren Folge war, hatten die Verwirk- 
lichung dieses frommen Wunsches bisher verhindert. Da der 
Frieden von Münster den Belgiern von seiten der Holländer 
eine Ruhepause gebracht hatte und die Franzosen ihrerseits in 
ihrer Angrirfstätigkeit durch die Fronde gehemmt waren, be- 
schloß Leopold Wilhelm an die Ausführung des letzten Willens 
der lirzherzogin heranzugehen. Er beauftragte den Bildhauer 
und Architekten Jerome Duquesnoy den Jüngeren, Pläne für 
eine Kapelle zu entwerfen, die an der rechten Seite des Chores 
angebaut werden sollte, und legte selbst in Anwesenheit des 
lirzbischofs von Mecheln, Jacques Boonen, und der Geistlich- 
keit der Stadt am 31. Mai 1649 feierlich den Grundstein. Die 
Arbeiten wurden rasch ausgeführt und schon 1653 konnte auf 
dem Altar, der Nutte-Dame de la Delivrance geweiht war, die 
erste hl. Messe gelesen werden. 
Es war dies der letzte Spitzbogenbau, der in Brüssel aufgeführt 
wurde - der Architekt wagte nicht einmal, ihn gänzlich in 
diesem Stil zu beenden. Hr gab ihm ein Kreuzrippengewölbe 
mit Quergurten, die sich aus einzelnen Bogenstücken zusammene 
setzen und auf Konsolen im italoeflämischen Barockstil ruhen. 
Der Altar aus weißem und schwarzem Marmor ist das W'erk des 
Bildhauers Jean Voorspoel, Hofarchitekt und Schüler Duquesnrxys. 
 
Angeregt von den Glasmalereien der Kapelle des Saint-S; 
mcnt, die dem Andenken Karls V. und seiner Familie 
widmet war, beschloß der Erzherzog, auch die neue Ka] 
mit Glasfenstcrn zu schmücken, die die hl. Jungfrau und 
Ruhm des Hauses Österreich verherrlichen sollten. F.r wa 
sich an Theodor van Thulden (160671676) aus Herzogenbr 
Schüler und Mitarbeiter von Rubens, der die Kartons anfert 
für die 300 Gulden bezahlt wurden, und an Jean de la Baer 
Antwerpen, der die Ausführung der Glasmalerei übernahm. 
die er 1390 Gulden erhielt. 
Das erste Glasfenster, mit dem Datum 1656, zeigt die Dar 
lung Mariä mit den Porträts Kaiser Ferdinands ll. und 
Kaiserin Eleonore; es folgt die Hochzeit der hl. Jungfrau, 
dem Bild Leopolds I. als römischer König, neben ihm 
imposante Figur des hl. Francesco Borgia. Das dritte (ilasfcr 
stellt eine Verkündigung dar, mit dem so volkstümlichen l 
scherpaar Albert und lsabella. 
Das vierte Glasfenster verdient jedoch vor allem unsere . 
merksamkeit. Es wurde nicht nach einem Karton von van 'l 
den ausgeführt, wie eine Signatur beweist, die man auf der Z1 
nung entdeckt hat, die sich in den Musees royaux d'Art et d' 
toire du (Iinquantenaire befindet, sondern vom Glasmaler _ 
de la Baer, der sich hier nicht nur als geschickter llandxrcr 
sondern als echter Künstler erweist. Unter einer Heimsucb: 
im oberen Feld des Fensters, sieht man ein prächtiges Po 
Leopold Wilhelms, des großen Gönners von Sainteiäur 
Er ist im Prolil dargestellt, auf einem Betschemel knieend 
glänzender Rüstung und mit einem weiten Purpurnmntel. 
feines, vornehmes Gesicht, von langen Locken umrahmt, 
auf seine Schultern niederfallen, ist von außerordentlicher 
bendigkeit und hebt sich von dem durchscheinenden Glas v 
derbar ab. 
Während der Erzherzog seine kostbaren Sammlungen l 
Wien mitnahm, ließ er mit diesen schönen Glasfenstern 
Kunstwerk allerersten Ranges in Brüssel zurück, ein im: 
währendes Andenken, das seit drei Jahrhunderten in den N 
kommen seiner einstigen Untertanen die Erinnerung wach 
hält an einen gütigen und aufgeklärten Fürsten, dem Bel 
viel Gutes verdankt. 
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