einen muschelförrnigen Abschluß tragen. Die Verwandtschaft mit dem
Seitenportal in Maria Maggiore in Trient (um 1520) und Portalen an
verschiedenen Palazzi in Trient (Palazzo Madruzzo um 1540, usw.)
bezeugt die auch urkundlich gesicherte Herkunft Meister Hieronymus
Longhis von Trient.
Diesem Portal ist eine zierliche Vorhalle vorgebaut, deren einfaches
Gewölbe über einen Rundbogen von zwei schlanken jonischen Säulen
getragen wird. Ähnliche Vorhallen haben im Trentino die Pfarrkirchen
in Pergine, Cavalese, Pellizzano (1524) und die offene Kapelle des
„Glesiot" in Livo (1558). Der im Unterbau viereckige, im Oberbau
achteckige Turm hat ein aus enggestellten Piiastern gebildetes Glocken-
geschoß, das mit einer geschweiften welschen Haube mit Laterne
schließt. Dies ist der älteste welsche Turmhelm nach den deutsch-
gotischen Spitzhelmen in Tirol.
Im Inneren bildet das Langhaus eine dreischiftige Halle, deren sechs
Joche von schlanken, rotmarmornen Freisäulen getragen werden, die
achteckige Sockel und weißmarmorne jonische Kapitelle haben (Abb. 4).
An den Seitenschitfwänden sitzen die Gewölbe auf kapitellartigen
Konsolen auf, die flachen Pilaster stammen aus dem 18. jahrhundert.
Die Gewölbe wurden um 1700 der Rippen beraubt und mit Stukkaturen
versehen. Ein Stich von 1614 gibt noch die alten Rippenführungen
wieder, die im Mittelschiff ein Rautennetz nach dem Muster der
Schwazer Franziskanerkirche bildeten (Abb. 1). Ein Vergleich mit
dem erhaltenen Stich der Heiligkreuzkirche in Augsburg (1502 von
Hans Englberg erbaut, 1716 barockisiert, 1944 zum Großteil zerstört)
zeigt, daß die Augsburger Kirche tatsächlich das Vorbild der lnns-
brucker Hofkirche war (Abb. 2). Neben den zahlreichen urkundlichen
Hinweisen zeigt der Stilvergleich die gleichen Rundsäulen auf acht-
eckigen Sockeln, die eigenartige Fensterstellung (auf der einen Seite
durchgehende, auf der anderen Seite Halbfenster), die Konsolen der
SeitenschifTe und die Rautennetzgewölbe. In Augsburg treten auch die
Renaissancemerkmale an den Säulenkapitellen schon früher auf
(St. Katharina, 1516f17 von Hans Hieber).
Der Augsburger Eini-iuß als beherrschendes Element der lnnsbrucker
Hofkirche ist einwandfrei gesichert. Der Planschöpfer ist wahr-
scheinlich der Augsburger Meister Jörg Vetter. Auch der 1556 und
1558 zu Gutachten herangezogene Augsburger Meister Bernhard
Zwitzel dürfte den Bau beeinflußt haben (1526[7O tätig). Er hatte
seit dem Umbau der Residenz in Landshut 1536 einen guten Namen.
Das Nordjoch der Hofkirche zu Innsbruck trägt eine auf zwei Rund-
säulen ruhende Empore, deren Rippengevrölbe noch erhalten ist. Das
südliche Langhausjoch wird vom Lettner ausgefüllt, einem an die
Freipfeiler angelehnten, auf drei Bögen ruhenden Gang, der die Orgel
tragt. Auch das Rippengewölbe dieses Ganges blieb von der Barocki-
sierung verschont. Interessanterweise gleicht dieser Orgellettner genau
demjenigen, den die Augsburger Heiligkreuzkirche hatte.
Der einschiffige Chor ist stärker barockisiert, so daß wenig vom alten
Zustand übrigblieb. Schon viel früher entstand mit der Srbußaaer
Frangixleanerkirrbe (1508f15) eine ältere und elegantere Schwester der
lnnsbrucker Hofkirche von gleicher Augsburger Herkunft (Abb. 6).
Ihr Erbauer Christof Reichartinger hat den Bau nicht ohne Kenntnis
der Augsburger Heiligkreuzkirche ausgeführt. Wenn die lnnsbrucker
Hofkirche auch keine besondere Raumschöpfung darstellt, so bedeutet
ihr Bau um 1550f60 doch ein Hauptwerk jenes Mischstiles zwischen
Gotik und Renaissance, zugleich das letzte, an dem trotz Mitwirkung
welscher Meister der deutsche Einfluß dominierte und die alte An-
ziehungskraft von Augsburg sich bewährte. Augsburg war ia das
bedeutendste Zentrum der deutschen Renaissance. Die tirolische
Kunst um 1550 stand zwischen dem süddeutschen Augsburg und dem
welschen Trient, wobei das Wort „welsch" im damaligen Sprach-
gebrauch für die künstlerisch fruchtbaren Gebiete des südlichen Alpen-
randes, vor allem die Gegend des Comnsees, angewandt wurde. Die
Meister vom Comosee fanden aus ihrer konservativen Gesinnung
heraus die Synthese zwischen lombardischer Renaissance und deutscher
Gotik. Ein wichtiges Zeugnis dieser Mischkunst ist die lnnsbrucker
Hofkirche.
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