Medardo Rosso, Enfant ä 1a bouchee de pain
wir kennen ihre Bedeutung und ihren
Wert, wir wissen nun, was originell
und eigenartig in ihr ist und was ent-
lehnt. Wenn das von Graul und Kurz-
welly in Aussicht gestellte illustrierte
Werk über die Ausstellung erschie-
nen sein wird, gehört wohl die Ge-
_ schichte des Thüringer Porzellans zu
' einer der am klarsten erhellten.
Die Technik der Porzellaner-
zeugung ist den Thüringer Fabriken
bekanntlich weder durch Meißener
oder andere Überläufer noch durch
keramische Vaganten vermittelt
worden, obwohl gerade diese auch an
den kleinen Höfen mit glänzenden
Versprechungen auftauchten, sie
a wurde vielmehr neu erfunden, und
zwar ungefähr zu derselben Zeit, zirka
1760, durch zwei unabhängig von-
einander experimentierende Männer,
Georg Heinrich Macheleid, den Be-
gründer der Volkstedter Fabrik, und Gotthelf Greiner, der die Limbacher
Manufaktur ins Leben rief. Und so erlebte das Thüringer Porzellan dieselben
Entwicklungsphasen der Masse und Glasur, dieselben Fehler wie in Meißen
zu Böttchers Zeit oder in Wien unter Du Paquier. Bald ist die Glasur zu
stark kalkhaltig und wird infolge-
dessen glasig und grau, bald ist sie
zu sehr vom Feuer aufgefressen,
besonders bei den frühen Blau-
malereien, wird matt; „eierschalig"
nennt man diesen Fehler heute noch
in den Thüringer Fabriken, eine
recht gute Bezeichnung. Erst nach
langen Mühen erreichte man die
weiße richtige Feldspatglasur.
Abgesehen von Kloster Veils-
dorf und Gotha, die mehr dem Typus
der anderen deutschen Manufakturen
entsprachen, welche in erster Linie
Hofschöpfungen waren, sind die
Thüringer Fabriken analog vielen da-
maligen Fayencefabriken meist indu-
strielle bürgerliche Unternehmungen,
Medardo Rosso, Porträt des Dr. Fles (Utrecht)