Unter den jungen Künstlern, die um die Jahrhundert-
wende in den Wirbel der modernen Kunst gerieten,
dominierten die Maler. Erst im Jahre 1906 stieß der
junge Bildhauer Anton Hanak, der aus der Klasse
Edmund Hellmers von der Wiener Akademie kam.
zu den Secessianisten. Als Vierzehnjähriger war er
von Brünn, wo er 1875 geboren war. völlig mittellos
nach Wien gekommen, um sich hier eine Existenz
auf eigene Faust zu gründen. Sein erster Lehrmeister
war ein Vorstadtbildschnitzer, den er nach dem
Freispruch verließ, um SlCh nach Handwerksbrauch
auf die Wanderschaft zu begeben. 1898 kehrte er
nach Wien zurück, reicher an Erfahrungen und mit
dem brennenden Wunsche, sich an der Akademie
weiterzubilden, Hier wurde Edmund Hellmer sein
Lehrer. Mit dem Rampreis verließ er die Akademie.
Aus Italien zurückgekehrt, wurde er 1906 Mitglied
der Wiener Secession, an deren Kämpfen er schon
während seiner Akademiejahre innersten Anteil
genommen hatte. wie die Eintragungen in seinen
Tagebüchern verraten. Nach fünf Jahren aber. 1911,
verließ er sie wieder und trat in engere freundschaft-
liche Beziehungen zu Josef Hoffmann und Gustav
Klimt. Damit hatten sich die bedeutendsten Vertreter
der modernen Kunst Wiens zu einem Freundschafts-
bunde gefunden: der Baumeister Hoffmann. der
Maler Klimt und der Bildhauer Anton Hanak.
in den folgenden Jahren zog ihn Hoffmann als Bau-
plastiker fürdie großen Ausstellungen in Rom. Dresden.
Köln und Stockholm heran. 1914 war es wieder
Hoffmann, der Hanak als Lehrer für die Kunstge-
werbeschule gewann, wo er die Klasse für Bildhauerei
übernahm. Kurz vor seinem Tode am 7. Januar 1934
erhielt Hanak noch die Berufung als Professor an
die Wiener Akademie der bildenden Künste.
Anton Hanak hat sich aus eigener Kraft durch alle
Etappen des Handwerkes bis zur akademischen Aus-
bildung emporgearbeitet. Seine proletarische Her-
kunft und die Schwermut, ein Erbe. das die Landschaft
und die Menschen seiner böhmischen Heimat kenn-
zeichnet. ließen im Wiener Klima eine innerlich
brennende und wilde Urkraft entstehen. die nur am
Widerstand des härtesten Materials ihr schöpferisches
Genügen fand. Die Lehre Edmund Hellmers, die
dieser in einer kleinen Schrift 1900 niedergelegt
hatte, daß der Bildhauer sich gewöhnen müsse. aus
dem Stein heraus zu arbeiten, hat Hanak konsequent
durchgeführt. Er dachte immer nur im Stein, selten
führte er Tonmodelle aus, fast immer arbeitete er
nur nach einer {tüchtigen Tintenskizze. Jedes seiner
Werke stammt aus einem Felsblock und ist mono-
lithisch gewachsen und zurückgeführt auf die pri-
mären Erscheinungsformen und elementaren Bc-
wegungen alles Seelisch-Lebendigen. Alle Plastiken
haben monumentale Ausmaße: Jünglinge, Mädchen.
kraftvolle und trotzig leidende Männer. schützende
und lebenverheißende Frauengestalten. Sie sind nicht
vom Schicksal des Geschlechtes geprägt, sondern
vorn geistigen Bild des Menschseins, das sich für
Hanak ewiggültig in der schöpferischen Polarität
männlich-weiblicher Daseinsformen repräsentierte.
Anton Hanaks Kunst. die "Schwere" seiner Schöpfun-
gen, die ein so gültiger Ausdruck der tragischen
Situation der Kriegs- und Nachkriegsjahre war. hat
bei seinen Zeitgenossen wenig Verständnis gefunden.
Man wollte nicht wahrhaben, was ein innerlich
leidender und einsamer Künstler dem Marmor und
Hartgestein abgerungen hatte. So hat die Stadt Wien
an ihn nur zwei Monumentalaufgaben vergeben:
die ,.Magna mater" für die Kinderübernahmsstelle
(1925), die große Mutter, die ihre Arme schützend
über ihre Söhne breitet. und das Kriegerdenkmal
auf dem Wiener Zentralfriedhof (1928). das mit
seiner mächtigen Gestalt einer Trauernden eine
erschütternde Anklage ist. Der Welterfolg kam für
Hanak zu spät. Schon von der Todeskrankheit ge-
zeichnet, konnte er den Auftrag der türkischen Re-
gierung. ein Nationaldenkmal für Ankara zu schaffen.
nur mehr unvollendet hinterlassen,
uvAwNA
Anlon Hannk, Der brennende Mensch.
Gips, 260 cm. 1922
Anlon Hanck. Piew.
Bronze. 160 cm. 1915
Anlon Hunak. Das große Leid,
Gips. 260 cm, 1919
Anton Hanck. Das goldene Annm.
Siebenbürger Marmor. 215 cm,1913
Anton Hannk. Sphinx.
Marmor, 1a? m. 1916