VENEZIANER EINBÄNDE DES XV. JAHR-
HUNDERTS NACH PERSISCHEN MUSTERN
VON THEODOR GOTTLIEB-WIEN 50'
TIL und Einbandtechnik italienischer Einbände
in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts
sind ja so im allgemeinen bekannt. Nur wird
gewöhnlich der stark vorherrschende Floren-
tiner Dekor mit der aus Schnurwerkstempeln
gebildeten Umrahmung, in der die wagrechten
Borden breiter sind als die senkrechten und mit
der Einstreuung von vergoldeten (farbigen)
Kreisstempeln als ein in ganz Italien mehr oder
weniger gebrauchter Typus angesehen. Diese
Anschauung kann nicht als einwandfrei gelten.
Die Hauptsache wird es vorläufig bleiben, bestimmt erkennbare Muster für
einzelne Hauptorte Italiens im Norden und Süden, also für Venedig, Mailand
und so weiter einerseits, Rom, Neapel und so weiter andrerseits oder
selbst für einzelne Werkstätten dieser Städte festzustellen. Der Süden, vor
allem Neapel, hatte, wie wir jetzt aus einer Reihe vollkommen gesicherter
Feststellungen ersehen können, seine eigenen Dekorationsformen sowohl
in der Felderteilung als in der Zeichnung und Gruppierung bestimmter
Stempel, die von den im Norden Italiens üblichen verschieden sind. Schon
daß die in Neapel verwendeten Schnurwerkstempel bis ins XVI. Jahr-
hundert hinein nicht eingekerbt sind, bildet einen Unterschied": Die Bände
aus der Zeit des älteren Aldus Manutius, über deren Stilverschiedenheit und
zeitliche Abfolge die Meinungen noch stark schwanken, erheischen eine
eigene, eindringliche und vorsichtige Bearbeitung, für die noch nicht einmal
das Material gesammelt ist. Schneller würden wir bei unseren Arbeiten vor-
wärts kommen, wenn es gelänge, aus urkundlichen Quellen zu schöpfen,
nur dürfte es dann sehr selten möglich sein, den in den urkundlichen Zeug-
nissen genannten Buchbindem die von ihnen gearbeiteten Bände zuzu-
weisen.
Eines der interessantesten Kapitel werden in einer zusammenfassenden
Darstellung die von orientalischen Arbeitern in Venedig dekorierten Ein-
bände zu bilden haben, denen die folgenden Ausführungen bestimmt sind.
Wenn von orientalischen Mustern schlechtweg gesprochen wird, die in
Venedig zu Ende des XV. Jahrhunderts nachgeahmt wurden, so ist diese
Bezeichnung gewiß sehr allgemein. Auch für den Orient ist eine strenge
Scheidung der Einbandstile oder wenigstens der Versuch, das Ursprungs-
gebiet einer bestimmten Dekorationsform zu erkennen, die sich dann sehr
wohl weiter verbreitet haben kann, eine dringende Sache.
' Dagegen erscheinen die glatten Flechtwerkstempel auch anderwärts (zum Beispiel in Venedig) allein
und neben eingekerbten gebraucht.
20