Freilich, mit der Zeit, als die antike Tradition nur mehr Erinnern war,
wurden die antiken Naturausschnitte zu byzantinischen Typen: der-
selbe antik-naturalistische Ziegenbock wird von den klösterlichen
Malern wieder und wieder kopiert 7 übrigens mit sichtbarem Ent-
zücken. 7 Zu schematischen Formen erstarrten dann auch all die
kleinen Kunstgriife, womit die spätantiken Porträtisten ihre Köpfe
zu noch größerer als wirklichkcitsgetreuer Lebendigkeit zu stilisiercn
wußten (Wobei sie dem modernen kommerziellen Illustrator, dem
Reklamezeichner, manchen physiognomischen Trick vorwegnahmen).
Schließlich wurde die ganze Technik der Farbgebung und Pinsel-
führung zur schulgerechten Formel, zur handwerklichen Geschick-
lichkeit, zur Kalligraphie. Wir wollen nur einen Einzelzug hervor-
heben, der den hochzivilisierten Charakter der lkonenkunst typisch
belegt. 7 Das primitive Bild ist kolorierte Zeichnung; die Schatten
werden, wenn überhaupt, zur Lokalfarbe hinzugefügt. Der Ikonen-
maler hingegen untermalt seine Gesichter und Gewänder mit dunkler,
satter Grundfarbe; dann setzt er nach ercrbtem, sehr plastisch wirkendem
Schema die Lichter auf 7 er verwendet die illusionistische, impressin-
nistische Manier der antiken Porträtisten.
je mehr die virtuose, spielerische Verwendung dieser KunstgriHe in
manchen Fällen 7 so auf den bekannten Kiewer Fresken 7 Selbst-
zweck wird, desto ähnlicher wird sie der Malerei des Ostens mit deren
kalligraphischen Künsten. Die Ähnlichkeit mit fernöstlicher Malerei,
wo die Kalligraphie aus impressionistischer Manier destilliert ist,
bedeutet natürlich keinen Zusammenhang der Entwicklung. Wohl
aber kann man nach tatsächlichem Zusammenhang suchen bei Minia-
turen, die zeitlich und örtlich der byzantinischen Sphäre am nächsten
liegen: bei persischen und persisch-indischen. Da sehen wir dieselbe
oder noch höhere Virtuosität, aufgebaut auf demselben antiken Erbe;
dieselbe unheimliche Lebendigkeit illusionistischer Idealmalerei und
schließlich überhaupt eine ähnliche künstlerische Natur- und Welt-
anschauung. Man mag mit Spengler von Arabischer Kultur sprechen,
oder 7 richtiger! 7 mit Strzygouuki von Iran . . . Diese Naturanschau-
ung ist freilich nicht mehr antik, und dadurch kommen wir zu einer
weiteren Entwicklungsstufe der Ikonenmalerei.
Die Einwirkung des Orients auf die byzantinische Malerei war aller-
dings viel geringer, als wir aus geographischen Gründen etwa vermutet
hätten und als es in der Baukunst auch wirklich der Fall war. Die
byzantinische Baukunst wurde ja ganz ungriechisch, ganz orientalisch;
stellten doch die neuen technischen Errungenschaften 7 die Wöl-
bung! 7 gegenüber dem griechischen Erbe einen merklichen Fort-
schritt dar. Anders in der Malerei. Da setzte sich ungleich stärker die
antike Tradition durch, welche ja von der byzantinischen Intelligenz
ganz bewußt zur Richtschnur genommen wurde. Und hier war es
zugleich die Kirche, welche in der Abwehr gegen den bilderfeindlichen
Islam diese antike Tradition schützte. Freilich drangen auch hier
orientalische Elemente ein. Schon die zunehmende Orientalisierung der
Tracht schuf einen augenfalligen Gegensatz zur Antike: deutlich
unterscheiden sich von den weißgekleideten frühchristlichen Engeln
die himmlischen Archistrategen der Byzantiner in edelsteinüberladenem
ld dm
Gcor
rund:
omlal
nmcu