Bis zu seinem Tode 1740 sind weitere Doku-
mente, Zusatzverträge und Zahlungsbelege,
erhalten. Das Hochaltarblatt mit der Felicitas-
glorie wurde erst nach Holzers Tod durch
Johann Georg Bergmiiller vollendet. Dieser
quittiert am 24. August 1742 die Bezahlung
„wegen gemaltem großen Altarblatt, St. Fe-
licitas". Auf der Rückseite dieses Dokumentes
findet sich die Notiz: „Diese Malerei ist zwar
von Herrn Holzer accordirt und angefangen,
von Herrn Bergmüller aber ausgemahlet
worden"4.
Leider ist das Altarblatt ebenso Wie die ge-
samte Ausstattung der von Balthasar Neumann
erbauten Stiftskirche von Münsterschwarzach
verloren-i. Daß wir bei den beiden vorliegen-
den Modellis Holzers dieses Hochaltarblatt
vor uns haben, geht jedoch aus den Beschrei-
bungen einer erhaltenen Druckschrift her-
vor.
In der „Magna Gloria . . . abbaiiae Xrbwargenrir",
die mit einer „Srenografirß des Kircheninneren
versehen ist, finden wir im Textanhang die
„Alulegurgg zieren in der neuen Kirrhe {u llliirlrler-
rrhulartgjarb um einem kunrireielyen Pemel ent-
worfenen Figuren". Hier heißt es: „St. Felirila:
221i! ihren Jieben filmen {u FIißWl der Trinilät."
Zu diesem bereits von A. Hämmerleö und
E. W. Mick7 ausführlich dargestellten Zu-
sammenhang gibt uns die neuentdeckte Skizze
einen besonders interessanten Einblick in den
Schalfensvorgang. Wir müssen annehmen, daß
an der Genesis des Augsburger Modello noch
andere - verlorene 7 Vorstufen beteiligt
waren. Zuerst wohl Bleistiftskizzen zum
ersten Erfassen der Idee, dann wohl ein
kraftvoller Bozzetto, der mit breitem Pinsel
ohne Details die grundlegende farbige Vision
gibtß. Das neuentdeckte Bild ist zwar in
einzelnen Teilen bozzettohaft gemalt, in seiner
gesamten Ausbildung jedoch schon im reiferen
Stadium des Modello, wenn auch noch nicht
so ausgebildet wie das Augsburger Exemplar.
Es ist leicht zu beweisen, daß die Skizze vor
dem Augsburger Kontraktmodello entstanden
ist. Während das Augsburger Bild schon
entsprechend der Rahmensilhouette ausge-
schnitten ist, ist der wesentlich kleinere M0-
dello aus München auf einem rechteckigen
Keilrahmen aufgespannt, wobei die endgültige
Silhouette im roten Grund ausgespart bleibt.
Die Felicitas trägt noch nicht das Schwert
mit den sieben Siegerkranzbinden. Der Engel
mit dem Tablett, auf dem die sieben Märtyrer-
kronen liegen, ist noch nicht erfunden. Das
Gesicht der Heiligen ist noch herb bossiert,
noch nicht für den Beschauer verschont, die
Drapierung des Gewandes der Felicitas noch
nicht so fließend wie auf dem Augsburger
Bild. Die Gruppe der emporschwebenden
Märtyrer ist ohne Abstand zur himmlischen
Gruppe der Trinität mit den Engeln. Erst in
der letzten Fassung kommt dieser Abstand
und damit die ganze Komposition in das
richtige Maß. Bei dem Augsburger Exemplar
wurde schließlich noch die Trinitätsgtuppe
gänzlich umgruppiert. Der so hinreißend
gemalte Engel links außen auf dem Münchner
Exemplar mit den gelb auf seidigem Gewande
zuckenden Lichtern verschwindet völlig, an
seine Stelle rückt Gottsohn nach außen.
Die Komposition zeigt in ihrem Endresultat
jenes klassische Ansteigen, das „andamenla in
gilggagm), das schon Piazzetta in seinem be-
rühmten Altarblatt „Die Madonna erscheint
dem hl. Filippo Neri" in der Favakirche zu
Venedig so großartig vorexerziert hat. Auch
Kosmas Damian Asam, älter als Holzer und
wohl nicht ohne Wirkung auf diesen, bediente
sich dieses Kompositionsschemas bei manchen
seiner Altarblätter. Auffallend verwandt mit
Holzers Lösung ist hier Asams Hochaltarblatt
der Kirche von Osterhofen.
Im Gesamtprogramm der Ausstattung von
Münsterschwarzach bildete das Hochaltarblatt
den Höhepunkt. Zur Glorie der Fclicitas führt
uns thematisch und architektonisch das Fresko
der Langhausvolte mit der Marter der heiligen
Felicitas. Die Ölskizze für dieses Fresko ist
glücklicherweise ebenfalls erhalten 10 (Abb. 3),
außerdem existieren zwei Fassungen des Mo-
dellos für das Kuppelfresko der Kirche 11.
Die Neuentdeckung zeigt ähnlich dem Mo-
dell des Kuppelfreskos im Gegensatz zum
signierten Kontraktmodell noch in stärkerem
Maße den Reiz des Spontanen, der drängenden
Phantasie, der sinnlichen Freude an der Farbe
und des temperamentvollen Pinselstriches.
Dabei Finden wir bei der Münchner Skizze
besonders auffällig jene Holzer eigentümliche
Skizzentechnik, bei der Nebenfiguren im
rlazliiwrl nauendi einfach zeichnend mit dunkel-
braunen Pinselstrichen auf den fonda rorm
skizziert werden. Diese Technik mischt in
reizvoller Weise zeichnerisch-silhouettierende
und farbig-bossierende Vorgänge, Wobei eine
besonders lockere und vielstufige Impression
des Werdens entsteht.
Die Farbskala beider Skizzen unterliegt noch
den Gesetzen der Helldunkelmalerei. Erst all-
mählich weicht im 18. Jahrhundert der Ein-
iluß der tenehrari des 17. Jahrhunderts zurück.
Bis zum Ende des vierten Drittels des 18. Jahr-
hunderts blieb die Kunst der Altarblattmaler -
im Gegensatz zu den Freskanten 4 vorwie-
gend dem rlziarorrum unterworfen. Dennoch
erweist die neuenrdeckte Ölskizze erneut 7
so wie das gesamte XVerk Johann Evangelist
Holzers g, daß der frühverstorbene geniale
Tiroler der wichtigste Vorläufer war für die
große Epoche der Malerei des deutschen
Rokoko.
ANMERKUNGEN 4711
" "Allsgclnahlel" heißt hier wohl. daß Holzcrx Modelle mill-
afiblivh auf die großr Leinwand uberlragcn wurdn". wobei
Burgmiillcx dir: ins Gmllv ubcrlrngenc Vorzgichnung "aus-
mnlrc".
5 Mick ll. a. n. (7„ S. 49150.
" Alois Hflmmcrlc, Sammelblatt des hist. Vereins Eirhslärl XXlll,
1903 (.' 1017155). XXV, 1909 (862163). XXVI, 1912
(am 32).
24
7 Mirk H. a. a. (7.
m
n
' 46147.
Das Prublun n r Bozzckti Holzcrs m noch nicht gclixsx,
Während buixpiclswuiw bei Spicgler vorwicgexzd Dozzetli
hckaxmt sind, aber wenige Modelle, so m umgekehrt bei
Hulzcr der lXnzzclkn-Stil noch nicht gesichert.
uuuunru Palucchini, m.- vcxxczianische Malerei des w. jahr-
hundcrts, Vcncdig wen, s, es.
Städtische Kunstsammlungcn Augsburg, lnv.-Nr. 11505.
In den Augsburger Städtischen Kunstsammlungen und im
(iermanischcn Nationalmusrcum in Nürnberg.