Einen Höhepunkt der zentralen groß-
mährischen Wölbungsbauten bedeutet die
sogenannte IX. Kirebe in Älileuliiee (T. lVI3
[siehe Seite 12, Abb. 1]), die offenbar ein
Baptisterium war. lhr kreisförmig ange-
legter Innenraum mit kreuzförmig ange-
schlossenen kleineren Nebenräumen glei-
chen Grundrisses war mit einem Mauer-
gürtel umgeben, aus dem diese Neben-
räume ausgespart waren. Man kann an-
nehmen, daß sich die starke Umfassungs-
mauer oberhalb der gewölbten Neben-
räurne verjüngte und so bis zur Kuppel
des Hauptraumes aufstieg. Damit kam eine
bekannte Bauidee des spätrömischen ge-
wölbten Zentralbaues zur Ausführung, die
dem höchsten kuppelgewölbten Haupt-
raurne radial angeschlossene gleichartige
Annexe unterordnete und sie mit ihm zu
einer mehrgliedrigen Einheit verband. Un-
weit gelegene Reste einer brunnenartigen
Zisterne bestimmten das Bauwerk als ein
Baptisterium.
Einen zweiten Höhepunkt des großmahri-
schen zentralen Wölbungsbaues bedeuten
die ebenfalls formvollendeten Fundamente
einer Rollende mit {zwei in der Werl-OJI-Arbre
angeublorsenen hufeirergfärmllgen Apriden in
Zllileulfiee (VI. Kirelze) (T. IVI4, Abb. 13).
Rings um den Bau breitete sich ein mit
Graben und Palisaden umfriedeter Hof,
der außerhalb des Burgwalles lag und in
dem sich zahlreiche Gräber befanden, wes-
halb die Rotunde als Sonderkirche eines
Herrensitzes anzusehen ist. Sie scheint in
allen ihren drei Teilen kuppelgewölbt ge-
wesen zu sein. Da man normalerweise den
Eingang in der Längsachse, also in der
Richtung zum Altare, voraussetzen muß,
ist der Eingang in der Westapsis zu denken.
Es handelt sich also um ein aus kreis-
förmigen Elementen zusammengesetztes
Langhaus. Der nur wenig niedriger ge-
legene Boden der Westapsis scheint den
Haupteingang des so entstandenen Längs-
baues enthalten und seinen Vorraum ge-
bildet zu haben. Wichtig ist die Erkenntnis,
daß nach Grabfunden der Bau der zwei-
apsidalen Rotuncle in das erste Viertel
des 9. Jahrhunderts, also in die Frühzeit
des großmährischen Christentums, gehört,
kaum aber mit der Wirksamkeit der
bayerischen Missionare zusammenhängt.
Man muß also in dieser Zeit neben der
bayerischen Mission wohl noch eine
„welsche" voraussetzen.
Keine der bisher bekannten großmährischen
Kirchen kann man der byzantinischen
Architektur zuschreiben, wie wir sie aus
Konstantinopel und Saloniki kennen, wo-
her Konstantin-Cyrillus und Methodius
nach Mähren kamen. Die dortigen byzan-
tinischen Kirchen sind aus Steinquadern
oder Ziegeln errichtet; ihre Apsiden sind
nicht gestelzt, sondern halbkreisförmig und
außen polygonal; zu beiden Seiten der
Apsis haben sie liturgisch bedingte Pasto-
phorien; ihre Narthexe sind kurze und
breite Vorräume - was alles die groß-
rnährischen Kirchen nicht besitzen. Man
kann daher annehmen, daß schon vor
Einsetzen der byzantinischen Mission der
TAFEL W. ROTUNDEN (RUNDBAUTEN)
1 Sh"! Mlxm. Rolunde
Mikullire, Vll. Kiuhe
Mikullize. IX. Kirrhz (viemisrhige Rvhulde undBn;
Mikuldire, VI. Kirrhe (Doppelapxidnle Ratmnk)
AMN
'l "v1 IV
Klrthc Mlkxllöiw VI
Kitchenbau in einem christlichen Mähren
so sehr verbreitet war, daß es in der
Mitte des 9. Jahrhunderts bereits genug
Kirchen gab und Konstantin-Cyrillus und
Methodius es somit nicht mehr nötig
hatten, Bauleute mitzunehmen oder Kirchen
zu bauen.
Im Gegenteil; sichtlich haben Werkleute
aus den südlich der Donau gelegenen
ehemals römischen Provinzen den Bruch-
steinbau den Mährem vermittelt, um dem
dort einsetzenden Christentum Kirchen zu
errichten, deren Bautypen entweder ihrer
Art oder den Ansprüchen der dort wirken-
den Priester entsprachen. So haben baye-
rische Priester mit iroschottischen Lehr-
meinungen auch insular-keltische Baufor-
men mit langgestreckten rechtwinkeligen
Pxesbyterien eingeführt, wogegen Priester
aus südöstlichen Donaugegenden wiederum
Kirchen mit gestelzten Apsidcn und lar
Vorräumen importierten. Zugleich ka
auch Einflüsse aus aquilejanisch-norisi
Gebieten zur Geltung, wie bei den Mi
Wänden oder dem Schilf der X. Kix
und schließlich verleitete auch die k
lingische Architektur zu mißverstand:
Lösungen. Am deutlichsten kam der
fluß einer spätrömischen Bautraditior
der viemischigen Rotuncle des Baptistcri
zum Ausdruck.
Ganz allgemein kann man die großmähri:
Architektur als den letzten Ausläufer s
römischer, hauptsächlich donauländisi
Provinzarchitektur bezeichnen, wobei r
durch zusätzliche Einflüsse gene n:
Kompositionen entstanden, die eine Ei;
art der großmährischen Architektur wui
und sie zu einem neuen Kapitel der fi
mittelalterlichen Kunst formten.