ldolf Strasscr
HRISTOPH TILLE
[N POTSDAMER
LASSCHNEIDER
, (cm) -
n 25. Oktober 1965 wurde in London
l Sotheby 8c C0. unter der Nummer 72,
ATALOGUE of ENGLISH and CON-
NENTAL GLASS", Abb. 4, S. 16 ein
1115! Potsdamer Glaspokal versteigert,
n der zuständige Bearbeiter dieses be-
1mten Auktionshauses auf Anregung des
itors dieser Zeilen dem Potsdamer Glas-
ineider Christoph Tille zugeschrieben
t. Damit scheint im (ilashandel vermut-
h zum erstenmal der Name eines Künst-
s auf, der bisher bloß seiner Existenz
ch oder, besser gesagt, den Urkunden
ch bekannt War, die Robert Schmidt in
n „Brandenburgischen Gläsern" auf S. 27
w. 147 anführt. Dieser Christoph Tille
rd im oben erwähnten Werk unter
ersonalien der Glasmacher, Glasschnei-
r usw. in Potsdam, Zechlin und Berlin"
Glasschneider geführt und kam 1678
s Dessau nach Potsdam. Entgegen der
mahme, wonach Tillc in den frühesten
andenburgischen (ilaserzeugungsstädten,
mlich Marienwalrle oder Grimitz, ge-
aeitet haben soll, ist den historischen
idien Robert Schmidts zu entnehmen,
ß der Kristallglasmeister Georg Gunde-
:h aus Oranienbaum bei Dessau, der 1677
t der Führung der (ilashütte Drewitz bei
itsdam betraut wurde, den Glasschneider
iristoph Tille und den (ilasmaler Gott-
ed Rül aus seiner früheren Berufsheimat
ch Drewitg berufen hat. Die beiden
instler trafen im Frühjahr 1678 in
rewitz ein und erklärten sich bereit, „das
ristall und das beinweiße Glas zu schnei-
n und zu malen gegen ein jährliches
zhalt von 200 Talern, freie Wohnung
1d Holz".
indelach selbst entstammte der berühm-
1 hessischen Glasmacherfamilie, hatte
reits 1669 in Oranienbaum bei Dessau
ie Glashütte eingerichtet und war einem
1f des großen Kurfürsten Friedrich
ilhelm nach Drewitz gefolgt, als die
lft 1674 ins Leben gerufene Hütte ins
ncken geraten war. Er ist als Vorgänger
hann Kunckels anzusprechen, der zum
stenmal gleichfalls 1678 in Drexvitz auf-
icht.
1G Existenz des Christoph Tille war also
kannt, doch war es bisher nicht möglich,
r1 mit bestimmten Potsdamer Arbeiten
Verbindung zu bringen. Da spielte der
ifall dem Autor dieser Zeilen ein Glas
die Hände, das die Signatur CT aufweist
1d das aus geographischen und histori-
hen Gründen dem oben erwähnten
iristoph Tille zugesprochen werden muß
.bb. 1 und 2, (ilassammlung Rudolf
ÜRASSER). Es ist der Form nach ein
lindrischer Humpen mit historischer
Widmung, bezeichnet und datiert „Qued-
linburg 4. April 1694". Als Dekor wcist
es Hachgeschnittene Ranken, Barockblumen
und Früchte auf, die in ausgewogener An-
ordnung des Glases Wandung füllen (Durch-
messer 9,9 cm, Höhe 16,9 cm). Die Wid-
mung selbst ist von einem Rankenkranz
eingezogen, die Schrift handwerklich exakt
und rein geschnitten. (Text: „DIESES
ZU EHREN HAT M: HANS LIEB-
RECHT. UND IOHAN ANDREAS
WEIDLINCK. ITZO ADMINISTRI-
RENDE B: ODER GESCHWORNE
DES WESTENDORFES. QUEDLIN-
BURG Den 4. April. ANNO. 1.6.9.4.
C. T") Da dieser Widmung ein Verbum
fehlt, ist anzunehmen, daß das M: für
macht oder gemacht steht.
Das Stadtarchiv des Rates der Stadt
Quedlinburg hat freundlicherweise auf
meine Anfrage Wesentliches zur Aufklä-
rung der Widmung und der Personalien
des Liebrecht und Weidlinck beigetragen.
Zunächst einmal ist das Westendorf ein
Stadtteil Quedlinburgs, der noch heute so
genannt wird. Im 17. Jahrhundert unter-
stand das Westendorf dem Stift Quedlin-
burg und nicht dem Rat der Stadt. lm
Westendorf liegen auf einer kleinen Anhöhe
das Schloß und die Stiftskirche der Stadt.
Zwischen 966 und 1802 übten 38 Äbtis-
sinnen die Regierungsgeschafte aus. Wah-
rend aber die Stadt Quedlinburg 2 Bürger-
meister und verschiedene Ratsmitglieder
hatte, besaß das Westendorf als Gemeinde-
vertreter bloß „Geschworene", da es ja
dem Stift direkt unterstand.
Was nun den Gemeindevertreter Hans
Liebrecht betrifft, so war er Weißgärber
im Westendorf. Er erwarb 1704 das
Bürgerrecht der Stadt Quedlinburg und
wohnte ab dieser Zeit in der Quedlin-
burger Neustadt, vorher oHenbar im We-
stendorf. Johan Andreas Weidlinck da-
gegen war Hofbäcker und belieferte das
Stift und die Stiftsregierung mit Backwaren
aller Art. Er erwarb das Bürgerrecht der
Stadt Quedlinburg 1682, behielt aber
weiter im Westendorf seinen VUohnsitz. Das
mit CT signierte Glas ist also den beiden
Westendorfer Vertretern Liebrecht und
Weidlinck gewidmet, wobei jedoch unge-
klärt ist, ob am 4. April 1694 ein beson-
derer Anlaß zu einer solchen Widmung
gegeben war.
Es lag nun nahe, zu versuchen, die Signatur
(IT aufzulösen. Der Rückschluß auf Chri-
stoph Tille drängt sich nun nicht bloß
durch Dokumentation in den „Branden-
burgischen Gläsern" auf, sondern auch
durch den Umstand, daß Tille, wie wir
urkundlich wissen, aus Dessau nach Pots-
N
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Barozkhlunnex: und Früchten. D111. ').')(
Christoph Till: ((2.11). AusichrdcsHunxl
Widmung: Dieses zu Ehren m: M: 1
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4. April. Anna. 1.6.9.4. C. T."
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