GEORGES MATHIEU UND l ODER DIE „DIREKTE MALEREI"
Von CLAUS PACK
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Abstraktion" giht Anlaß, die mehr oder weniger konkreten For-
mulierungen seines Standpunktes hier einer Prüfung zu unter-
ziehen.
Die „wahrhaft freie Malerei, die direkte Malerei", beginnt für
Mathieu am 16. Dezember 1947, als er unter dem Titel „Zu
einer lyrischen Abstraktion" in der kleinen „Galerie de Luxem-
bourg" ausstellt und sich gegen den „Abstraktivismus Cezannes,
knnstruktivistischer oder neoplastischer Prägung" wendet. 1948
findet eine zweite Ausstellung statt, die unter dem originellen
Titel „H. W. P. S. M. T. B." (Hartung, Wols, Picabia, Stahly, Ma-
thieu, Tapie Bryen) umfaßt. 1954 wird das Wort „Taehis-
mus" geboren (der Vater ist Pierre Gueguen): die „Malerei der
Flecken". Zu ihrer „Technik" schreibt Mathieu: „ . . . man macht
nicht einen Fleck, um einen Fleck zu machen, sondern man
macht einen Fleck, da man eine bestimmte Farboberiläche an
einer bestimmten Stelle braucht und weil es das direkteste Mittel
ist, den Pinsel auf die Leinwand mit mehr oder weniger Gewalt-
samkeit (daher die Farbspritzer) anzusetzen, ohne vorher den
Raum begrenzt zu haben. den man mit Farbe anfüllen will."
Natürlich kann Mathieu nicht übersehen, daß jackson Pollock
in den USA bereits 1946 vom figurativen Expressionismus zum
„action painting" überging, bei dem er die horizontal liegende
Leinwand mit flüssiger Farbe bespritzte, betropftc, berieselte,
ja daß 1935 schon Mark Tobey seine endlosen Schlingenmuster
in Gouachen kritzelle. Er sieht darin nur ein „eklatantes
Symbol der Universalität dieser Sprache". Den eigentlichen Ur-
sprung der lyrischen Abstraktion bei Kandinskij um 1910 ver-
schweigt Mathieu. Würde es sie zu sehr datieren?
Was kennzeichnet nun und was bedeutet nach Mathieu die
„direkte Malerei"?
Es sind drei Punkte, die seiner Meinung nach „sehr wahr--
scheinlich die größten Zweifel über die künstlerische Qualität
dieser Werke zerstreuen: „1. Die primäre Bedeutung, die der
Geschwindigkeit der Ausführung gegeben wird.
2. Die Abwesenheit vorher überlegter Formen und Gebärden.
3. Die Notwendigkeit eines Zustandes äußerster Konzentration."
Mathieu vergleicht dabei diese Art von Malerei mit ebenfalls
„freien" Formen der Musik, wie dem Jazz und orientalischer
Kalligraphie, ohne zu wissen, daß die jazzimprovisation sich -
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