Als es in Wien noch sehr wenige unter den jün-
geren Künstlern gab, welche Technik und Eigenart
der Radierung künstlerisch zu nutzen versuchten,
beschäftigte sich Fred Nowak eingehend mit
deren Möglichkeiten, indem er sich einfach selbst
beibrachle. was an handwerklichen Voraus-
setzungen und Erfahrungen gefordert wird, um
dieses Medium voll ausschöpfen zu können. Als
Künstler, den schon immer alle Möglichkeiten
drucktechnischer Art bevorzugt interessierten
(siehe auch Ernst Köllers Beitrag in der Nummer 77
dieser Zeitschrift), hat er nicht nur sich selbst.
sondern auch zahlreiche andere Künstler mit den
Anfangsgründen der Radierung vertraut gemacht.
In geduldiger Kleinarbeit versuchte er die ganze
Skala an Ausdruckswerten auszuschöpfen, die in
dieserTechnik liegen. machte er auch einige seinen
künstlerischen Absichten und Zielen förderliche
Funde.
Wie alle echten Druckgraphiker interessiert
Nowak das reproduzierende Moment der Radie-
rung nicht oder höchstens als willkommene
Draufgabe. Was er auf seiner kleinen Handpresse
selbst druckt. dient ausschließlich der Erweiterung
der von ihm in anderen Techniken gemachten
Erfahrungen. Wer die vielfältigen Möglichkeiten
der Radierung handwerklich zu nutzen versteht.
wird in dieser Technik vieles realisieren können,
was ihm durch andere Medien in dieser Form
nicht gelingen würde.
Ein früheres Blatt. die 1958 entstandene Radierung
„Begrüßung" (Abb. 4), iüßt erkennen, wie Nowak
durch das Aquatintakorn (in verschiedenen
Stufen geützt) und die Durchdrucktechnik (Vernis
Mou) eine zeichnerisch-graphische mit einer
malerischen Wirkung zu verbinden weiß. Ähnliches
wird auf der Radierung ..lm Regen" (Abb. 3)
sichtbar. Nowak verwendet die einfache Linien-
ützung nahezu nie isoliert. sondern sucht das
lneinanderspiel verschiedenartiger Strukturen, wess
halb er auch gern alte. angefressene Platten ver-
wendet. deren Flecken und Kratzer er in seine
Komposition einbezieht.
Ncwaks gespenstische. schattenhafte, oft wie
Skelette erscheinende Figuren gewinnen aus
solcher Bereicherung an Leben. Er liebt es, wie
er immer wieder sagt, sich seine Platten an einem
bestimmten Punkt des Werdeprozesses ..versalzen
und verbrannt" vorzunehmen. um sie dann durch
Korrekturen. Abdeckungen und Hinzufügungen
jenem Zustand zuzuführen. zu dem ihm die An-
regungen während des Arbeitens an den Platten
zufliegen.
Dali die Radierung ein unerschöpfliches Thema
ist. daß man mit ihr technisch brillieren kann,
weiß Nowak. Er möchte aber darüber hinaus
auch bestimmte ideelle und formale Vorstellungen
realisieren, Stimmungen und Bewegungen im
Raum einfangen. wie sie in dieser spezifischen
Form nur durch die Radierung festgehalten werden
können. In einer 1965 entstandenen. handteller-
großen Radierung mit dem Titel "Dorf im Sturm"
(Abb. Z) ist ihm das Einfangen einer bestimmten
Atmosphäre, einer zirkulierenden Erscheinung
besonders gut gelungen. Deutlich sind an diesem
Blatt die Strukturen eines durchgeötzten Deck-
grunds zu erkennen, das Arbeiten der Säure.
die den Strichen im Zusammenhang mit auspolier-
ten Flächen eine satte Scharfe verleiht. Stets
werden tonige und lineare Werte durch Feilen,
Raspeln und Schmirgeln (gelegentlich preßt Nowak
auch die Struktur eines Glaspapiers auf seine
Platten ab) zueinander in Beziehung gebracht.
Was dem Künstler auf einer Platte nicht gefüllt,
merzt er radikal aus. um die fragliche Stelle er-
neut anzugehen.