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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 94)

Demnach aber hat es auch wenig Sinn, den 
Stil zum Nordstern unserer Überlegung 
zu machen und etwa über den Barock in 
Rom ein abstraktes, allgemeines Muster 
einer Stilentwicklung, weder nur konform 
mit Bernini noch an Hand von Bernini, 
aufzustellen. Bernini war zumindest jetzt 
viel zu wenig manieristisch gesonnen, als 
daß der Siil und die Gewinnung eines 
Stiles für ilm ein Denk- oder Atbeitsziel 
oder auch nur ein Traum hätte sein sollen. 
Bernini ist am weitesten, am genauesten 
und am angemessensten zu verstehen, wenn 
man sich immer vor Augen hält, daß ihm 
seine Gegenstände heilig gewesen sind und 
daß er ihre allgemeine und besondere Heilig- 
keit herauszubringen gedient hat. Dabei bin 
ich aber keineswegs willens, den brillieren- 
den und schillernden Hofmann Bernini zu 
übersehen, nicht auch, diesen als Mantel 
auszugeben, in den sich der Künstler klug 
zu verhüllen gewußt, vielmehr: Bernini, 
wenn er erfolgreich und glücklich war, ver- 
strömte zu Handen von jedermann Geist 
und Einfälle, wenn er in seiner Arbeit 
suchend oder unzufrieden, unglücklich 
blieb, wie in Paris, schien er der Gesellschaft 
„unmöglich" und konnte nur mit tausend 
Übetredungen im Rahmen des Minimums 
an Konvenienz gehalten werden (vgl. 
Abreise von Paris). 
In die Zeit der tiefsten Erschütterung seines 
langen Lebens, 1642, als man unter Ver- 
leumdungen, Vorwürfen und Beschuldi- 
gungen den von ihm fast errichteten 
Glockenturm von St. Peter abzutragen 
begann, fallt seine relig öse Wende, die an 
das Problem der Heiligkeit gebunden blieb, 
die er als Entrücktheit von der Erde und 
ihren Wechselfällen, als Gott in der Emp- 
fängnis seines Lichtes hingegebenes Ruhen, 
als mystische Gottesliebe sich vorstellte. 
Bernini erkannte diese Heiligkeit in der 
Gestalt der Therese, fand und erfand neue 
Formen, die mystische Einheit mit Gott 
sichtbar werden zu lassen, und gestaltete sie 
zur Steigerung der Andacht seiner Mit- 
menschen aus; denn diese größere Innigkeit 
und diese Hinwendung zu einer Enthoben- 
heit vcn der Erde war und blieb für ihn 
mit einer tiefer empfundenen Verantwor- 
tung für das Leben seiner Mitmenschen 
verbunden; deswegen tritt zum erstenmal 
hier in der Cotnarokapelle, als Umwälzung 
auf dem Gebiete der Architektur, auch die 
für ihn später immer wichtiger werdende 
Einheit auf von Skulpturen, die einsame 
Heilige darstellen, und Architekturen, die 
für die Versammlungen der Menschen 
errichtet sind. 
Nähern wir uns dem allmählich. 
Wenn es dem Kunstfreund gelingt, zu 
gelegener Zeit oder mit List, die Therese in 
der Cornarnkapelle ohne das Neonlicht, das 
die Mönche zum Pläsier der Touristen in 
die Nische über dem Altar eingebaut haben, 
zu sehen, wird auch die lüsterne, gleißende 
Porzellanmasse als wahrhafres religiöses 
Ärgernis verschwinden; und die Über- 
treibungen der Form, die im gleißcnden 
Licht zwar Verzerrungen des Sinnes sind, 
werden in normalen Verhältnissen als 
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